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Kunst im öffentlichen Raum: Werk von Ralph Bürgin an der Heuwaage

Medienmitteilung

Präsidialdepartement

Zwischen Zoo und Heuwaage hat die Stadt den Birsig offengelegt. Für die hochwassertaugliche, fünf Meter hohe Stützmauer schrieb der Kunstkredit Basel-Stadt in Zusammenarbeit mit dem Bau- und Verkehrsdepartement 2019 einen Wettbewerb aus: Die Jury empfahl aus 32 eingereichten Dossiers fünf Projekte zur Weiterbearbeitung. Das Siegerprojekt ist eine skulpturale Arbeit des Basler Künstlers Ralph Bürgin. Es wird am 18. Juni um 17 Uhr öffentlich eingeweiht.

Zwischen Heuwaage und Zoo befindet sich eine schon fast legendäre basel-städtische Problemzone. Etliche Bauprojekte erlitten hier Schiffbruch, zuletzt das Ozeanium. Immerhin gelang inzwischen die landschaftsarchitektonische Umgestaltung des Nachtigallenwäldeli, das seinem idyllischen Namen lange Zeit nicht gerecht zu werden vermochte. Heute fliesst der Birsig im renaturierten Flussbett, neue Fussgängerbrücken und Spazierwege mit Sitzgelegenheiten bereichern die städtebaulich undefinierte, stark vom Verkehr geprägte Zone. Unmittelbar vor der Heuwaage war der Birsig bis 2018 mit einem Parkplatz gedeckelt. Mit der Offenlegung des Gewässers entstand hier entlang des Lohwegs eine bepflanzte Böschung, gegenüber wurde eine rund 50 Meter lange und fünf Meter hohe Stützmauer gebaut. Sie entspricht dem Hochwasserschutzkonzept des Tiefbauamts  und ist strukturiert durch Leitungsrohre, Fugen und insbesondere durch 30 Erdanker, deren Spannköpfe deutlich aus der Mauer ragen.

Dem Ort ein Gesicht geben

Diesen anspruchsvollen Perimeter bespielt Ralph Bürgin mit einem Werk, das dem Ort ein Gesicht verleiht, im Wortsinn: Fünf grosse, identische Köpfe sind als scheibenförmige Flachreliefs an die Stützmauer montiert. Die kreisrunden Formen mit angedeutetem Haarkranz und naturalistisch ausgeformter Nase evozieren historische Brunnenfiguren, ihre zylinderförmig hervorstehenden Münder und Augen erinnern an Wasserspeier. Die symmetrischen Gesichter sind stark abstrahiert. Ihre maskenhafte Mimik bleibt mehrdeutig, weder Geschlecht noch soziale Rolle sind definiert. Mit ihrer einfachen, geradezu universellen Erscheinung vermögen sie unterschiedlichste Passantinnen und Betrachter anzusprechen.

Die röhrenförmigen Ausformungen von Mund und Augen nehmen zudem spielerischen Bezug auf die Form der Ankerköpfe, die in unregelmässigem Rhythmus über die helle Mauer tanzen. In dieser Fläche setzen die runden Reliefscheiben kräftige Akzente. Leicht höhenversetzt, aber in gleichbleibenden Abständen wirken sie wie Taktschläge – beinahe wird die Mauer als musikalische Partitur lesbar.

Die Wasserspeier treten als Serie auf. Es sind Abgüsse eines Tonmodells, das Ralph Bürgin mit den Händen und weiteren Werkzeugen wie Messer, Draht und Spachtel modelliert hat. Die lebendige Oberfläche des Tonreliefs bleibt im Abguss erhalten. Über ein Silikonnegativ wurden die fünf Betongüsse realisiert, sie haben einen Durchmesser von 140 cm und wiegen je rund 320 kg. Jeder Kopf erhielt durch Beimischung mineralischer Farbpigmente einen eigenen, monochromen Farbton. Der Werkstoff Beton entspricht der Grundsubstanz der Stützmauer und vermag einem Hochwasser zu trotzen. Für die dezenten Farben – beige, grau, braun, ockergelb – liess sich der Künstler von den Farben der Steine im Flussbett inspirieren. Er ergänzt die Palette um ein Türkis, das an den Grünspan oxidierter Kupfermünzen erinnert, wie man sie oft auf dem Grund städtischer Brunnen liegen sieht.

Die serielle Erscheinung und subtile Farbigkeit der Brunnenfiguren weisen sie als Artefakte der Gegenwart aus. Mit ihrer unbestimmt archaischen Anmutung knüpfen sie zugleich an die historische Architektur der Innenstadt an. Wie in anderen historischen Städten auch schmücken zahlreiche Brunnen Basels Plätze und Plätzchen. Auf deren Brunnenstöcken, aber auch an vielen Fassaden finden sich Figuren und Gesichter, darunter die Böcklin-Maskaronen an der Gartenfassade der Kunsthalle oder Kuriositäten wie der Lällekönig bei der Mittleren Brücke. Auch am Lohweg späht ein weiblicher Kopf aus einem stuckverzierten Fenstergiebel hinüber auf die neuen Nachbarn. Auf die Frage, wer hier wen beobachtet, verweist auch der Titel des Werks: «I, you, you, me, we». Bin ich die Beobachterin oder werde ich beobachtet? Bist du es, der angesprochen wird; seid ihr es, die mich herausfordern? Die Fragen, die Böcklins humorvolle Fratzen schon vor 150 Jahren in den Zuschauerraum warfen, formuliert Ralph Bürgin hier für den öffentlichen Raum der Gegenwart.

Eröffnung mit Apéro: 18. Juni 2020, 17 Uhr
Heuwaage (Birsig-Stützmauer, Lohweg), in Anwesenheit des Künstlers

Ralph Bürgin (*1980) lebt und arbeitet in Basel. Der Maler und Bildhauer hat zuletzt mit Ausstellungen im Centre culturel suisse in Paris, im Kunsthaus Baselland und im Kunstverein Diessenhofen auf sich aufmerksam gemacht.