Ein neues Mondhorn aus Basel
Seit 2021 haben Ausgrabungen aufgrund der Fernwärmeleitungen im Wettsteinquartier immer wieder für Überraschungen gesorgt: Vor allem die unerwartet reich ausgestatteten Gräber des Frühmittelalters, aber auch Funde aus der Bronzezeit, der Spätantike sowie aus dem Mittelalter, die von der Archäologischen Bodenforschung (ABBS) freigelegt wurden, eröffneten neue Einblicke in die Geschichte des Quartiers. Nicht minder bedeutend sind die Entdeckungen, die ab Februar 2024 ans Licht kamen.
Beim Aushub des Hausanschlusses an der Rebgasse 68 fanden sich neben älteren urgeschichtlichen Feuerstellen eine spätbronzezeitliche Grube, die zahlreiche Bruchstücke von Gefässen enthielt. Die Scherben stammen sowohl von Grob- als auch von Feinkeramik aus schwarzem und rot gebranntem Ton, teilweise waren sie mit Mustern verziert und geglättet. Das Formenspektrum umfasst Töpfe, Schalen und Becher. Zu den auffälligsten Stücken zählen Henkelgefässe, zwei beinahe vollständig erhaltene Knickwandbecher sowie zwei einzigartige ovale Schälchen. Auch ein Netzsenker, etliche Knochenbruchstücke, Lehmbrocken und Hitzesteine sowie Fragmente eines sogenannten Mondhorns wurden in der Grube entdeckt. Der Netzsenker deutet auf Fischfang, die Hitzesteine auf den Einsatz von Feuer im Handwerk und Haushalt hin.
Mondhörner werden in der Forschung unterschiedlich interpretiert. Sie erinnern an liegende Mondsicheln oder Rinderhörner. Die gängigste Theorie geht davon aus, dass sie aufgrund ihrer Form, Machart, Merkmale und Befundsituationen Kultobjekte waren, die vielleicht eine kalendarische Funktion hatten. Funde wie die Himmelscheibe von Nebra verdeutlichen, dass die Menschen damals über ein komplexes astronomisches Wissen verfügten. Anhand von Sonne, Sternen und des letzten beziehungsweise ersten sichelförmigen Mondlichts wurden Daten im bäuerlichen religiösen Jahr festgelegt. Möglicherweise wurden Mondhörner eine gewisse Zeit lang im rituellen Kontext verwendet und danach absichtlich zerstört. Weitere Exemplare auf Kantonsgebiet fanden sich bis heute nur bei zwei Ausgrabungen: in der Kleinbasler Kartausgasse und in Riehen an der Inzlingerstrasse.
250 m entfernt in der Utengasse hatte die ABBS bereits 2011 einen ähnlich auffälligen Befund freigelegt. Dort waren sechs bronzezeitliche Gruben mit fragmentierter Gefässkeramik, Lehmbrocken, darunter Teile eines Bronzeschmelzofens, zerbrochene Mahlsteine, Tierknochen und verkohltes Holz zutage gekommen. Es ist anzunehmen, dass auch die neuen Funde aus der Rebgasse im Zusammenhang mit solch einer rituellen Niederlegung stehen und dass die Grube zu einer bronzezeitlichen «Flussufersiedlung» gehörte.