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Forschungsprojekte in der Forensischen Genetik

Die Forschung in der Abteilung Forensische Genetik befasst sich mit dem Verbessern der Sichtbarmachung von biologischem Material (DNA und RNA). Die Stoffe können in sehr geringen Mengen vorliegen, mit der DNA von weiteren Personen vermischt oder von schlechter Qualität sein. Es kommen klassische und modernste, neu entwickelte Technologien zum Einsatz.

Aktuelle Projekte

Die Abteilung Forensische Genetik beschäftigt sich forschungstechnisch mit folgenden Schwerpunkten: 

  1. Optimierte Spurensicherung und -bearbeitung
  2. Einsatz von innovativen Technologien zum Auftrennen von komplexen Mischspuren 
  3. Parallele RNA-Analyse zum Identifizieren von forensisch relevanten Körperflüssigkeiten 
  4. Erweiterte DNA-Analyse zum Bestimmen von Phänotypen, von biogeographischer Herkunft sowie zur Altersbestimmung mittels moderner technologischer Ansätze

Laufende und abgeschlossene Projekte finden Sie in den Kurzbeschrieben.

Projekt 1
Der DNA-Buster: Ein alternatives DNA-Sicherungsinstrument

Jonathan Währer, Sabrina Kehm, Ilona Seiberle, Sarah Kron, Eva Scheurer, Iris Schulz
Kooperationspartner: Marie Allen, Linnéa Brauer, Oliver Eidam

In der forensischen Fallarbeit wird biologisches Material als potenzielle Beweisquelle für genetische Analysen und somit die Aufklärung von Straftaten sichergestellt. Die Wahl der Abnahmemethode hängt von mehreren Einflussfaktoren (zum Beispiel Substrateigenschaften) und deren Wechselwirkungen ab. Standardmethoden sind häufig zeitaufwendig und unzureichend in Bezug auf die DNA-Abnahmeeffizienz. Am IRM Basel wurde ein neues Trockenabsauggerät, der DNA-Buster entwickelt. Dieser ist mobil am Tatort, aber auch stationär einsetzbar. Er ermöglicht den Zugang zu schwer zugänglichen Bereichen wie Nischen oder Fahrzeugsitzen. Die Proof-of-Concept-Studie zeigt, dass der DNA-Buster im Vergleich zu den Standardanwendungen ein effizienteres Abnahmetool für die Spurensicherung von Textilien ist, welche circa 7% der Spurenträger ausmachen.

Projekt 2
DEPArray™: Einsatz innovativer Einzelzelltechnologien für die gezielte Mischspurenauftrennung

Janine Schulte, Eva Scheurer, Iris Schulz
Kooperationspartner: Michael A. Marciano, Amke Caliebe, Pia Neuschwander

In der forensischen Fallarbeit werden häufig Mischspuren aus gleichen oder unterschiedlichen Zelltypen und von mehreren Spurengebenden bearbeitet. Ein Problem besteht darin, dass Mischungen gleicher Zelltypen mit den bisherigen Verfahren nicht getrennt werden können. Bei Mischspuren aus Komponenten verschiedener Zelltypen (zum Beispiel Blut, Sperma, Epithel) können mehrere Körperflüssigkeiten untersucht, diese aber keinem Individuum zugeordnet werden. Die Interpretation der aus der genetischen Analyse resultierenden Mischprofile wird mit zunehmender Anzahl von Spurengebenden komplex oder sogar unmöglich. Neuartige Zellsortier- und Isolierungsplattformen können Mischspuren vor der genetischen Analyse in ihre einzelnen zellulären Bestandteile auftrennen. Sie ermöglichen somit das Zuordnen eines Einzelzellprofils zu einem Zelltyp; und damit Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Mischspur sowie auf einzelne Personen, die zu der Mischspur beigetragen haben. Die Forensische Genetik am IRM Basel verfügt über innovative Technologien, wie zum Beispiel die DEPArray™ Technologie. Sie hat diese optimiert und validiert und sich den biologischen und technischen Herausforderungen gestellt.

Projekt 3
RNA-Analysen für die forensische Untersuchung von Sexualdeliktsmischspuren

Janine Schulte, Nicole Rittiner, Rahel Dietrich, Anna Legendre, Sarah Kron, Eva Scheurer, Iris Schulz

Während DNA-Profile Aufschluss über die Identität einer Person geben, liefert die klassische DNA-Analyse keine Informationen über die Art und Herkunft des biologischen Materials. Das kann für die Rekonstruktion des Tathergangs von Bedeutung sein. Vorgelagerte proteinbasierte Testverfahren zum Bestimmen von Körperflüssigkeiten sind einfach zu handhaben, weisen aber Einschränkungen hinsichtlich ihrer Spezifität und Sensitivität auf. Für jeden Test verwendet man einen Teil der Probe, der für das Erstellen eines DNA-Profils nicht mehr zur Verfügung steht. Die Ko-Extraktion und Ko-Analyse von DNA und RNA ist von zunehmendem Interesse, wobei die Analyse von mRNA spezifisch für Körperflüssigkeiten und die Analyse von miRNA robust sein sollte. Aktuelle Forschungsarbeiten in der forensischen Genetik befassen sich mit dem Etablieren und Optimieren von RNA-Extraktions- und Analysemethoden für die spezifische Anwendung bei Sexualdeliktsproben.

Projekt 4
Entwicklung eines methylierungsbasierten Altersvorhersagemodells unter Verwendung von Next Generation Sequencing (NGS)

Alina Senst, Lara Josephine Magro, Iris Schulz 

Die erweiterte DNA-Analyse kann Informationen über den Phänotyp, die biogeographische Herkunft und das Alter einer Person liefern. Sie kann das Spektrum der forensischen Fallarbeit erweitern und die kriminaltechnische Untersuchung wesentlich unterstützen. Das biologische Altern geht mit molekularen Veränderungen einher, die durch genetische und umweltbedingte Stimuli beeinflusst werden. Die aktuelle Gesetzgebung in der Schweiz wurde mit der Gesetzesrevision im August 2023 geändert und erlaubt eine erweiterte DNA-Analyse. Das Hauptziel der Studie ist das Entwickeln und Implementieren eines robusten Modells zur Vorhersage des biologischen Alters eines Spurengebers auf der Basis von DNA-Methylierung unter Verwendung von Next-Generation-Sequencing-Techniken.

Abgeschlossene Projekte

Empfehlungen für die erfolgreiche Identifizierung von zustandsveränderten menschlichen Überresten 

Alina Senst, Eva Scheurer, Iris Schulz
Kooperationspartner: Amke Caliebe, Matthias Drum, Christian Cossu, Martin Zieger

Der Erfolg der DNA-basierten Identifizierung menschlicher Überreste hängt stark vom Zustand der Gewebeprobe und der damit verbundenen DNA-Menge und -Qualität ab. Aufgrund gewebespezifischer Unterschiede in der postmortalen DNA-Stabilität ist die Auswahl des zu analysierenden Gewebes für die Identifizierung ein entscheidender Faktor. Ziel der multizentrischen Studie war es, den Genotypisierungserfolg zu verbessern sowie Prognosen und Empfehlungen für eine optimale Gewebeentnahme je nach Leichenzustand aufzustellen. Blutproben zeigten für jeden Zersetzungsgrad eine 100-prozentige Typisierungserfolgsrate. Weiterhin zeigte die moderne NGS-Technologie im Vergleich zur klassischen Kapillarelektrophorese vollständigere STR-Profile. Die Studie bietet erstmalig Leitlinien für die Auswahl der besten Gewebetypen für jeden Grad der Zersetzung, um die Identifizierung veränderter menschlicher Überreste effizienter zu gestalten.

Tupfervergleich für die Spurensicherung von verschiedenen Substraten

Ilona Seiberle, Jonathan Währer, Sarah Krona, Iris Schulz; Kooperationspartner: Kurt Flury, Marc Girardin, Alexander Schocker

Die Spurensicherung ist der erste essenzielle Schritt für die DNA-Analyse. Das derzeit verwendete Spurensicherungsset «ForensiX Evidence Collection Kit» besteht aus einer Pappschachtel zur Aufbewahrung der Tupfer, welche am Tatort gefaltet wird. Das ist zeitaufwendig und birgt das Risiko möglicher Kontaminationen. In Kooperation mit den Polizeidienststellen Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn wurde der derzeit verwendete Tupfer mit 3 anderen Tupfern hinsichtlich der DNA-Entnahmeeffizienz verschiedener Spurenarten auf unterschiedlichen Spurenträgern verglichen. Diese Tupfer werden alle in Röhrchen gelagert, was das Handling erleichtert. Beim Vergleich stellte der «ForensiX SafeDry» eine geeignete Alternative zu dem derzeit verwendeten Tupfer dar. 

Tupfervergleich für die intravaginale Probenahme bei Sexualdelikten 

Simon Egger, Chadiya Vohringer, Jonathan Währer, Iris Schulz

Bei Opfern von Sexualdelikten werden häufig Vaginalabriebe für die Untersuchung auf Fremdmaterial (zum Beispiel Spermien) sichergestellt. In dieser Studie wurden 3 verschiedene Abnahmetupfer hinsichtlich ihrer Entnahmeeffizienz und Handhabung verglichen. Im Rahmen einer EKNZ-genehmigten Studie wurden dazu postkoitale intravaginale Abstriche bis 48 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr von freiwilligen Probandenpaaren zur Verfügung gestellt. Die Abstriche wurden forensisch-genetisch auf das Vorhandensein von Samenflüssigkeit (prostataspezifisches Antigen, PSA), Spermien und männlicher DNA untersucht, um den Abstrichtyp mit der besten Leistung zu ermitteln. Die Probandinnen haben die Handhabung während der intravaginalen Abnahme anhand eines Fragebogens ermittelt. Die Umstellung auf den effizienteren «ForensiX SafeDry» kommt insbesondere den geschädigten Personen zugute.

Optimierung der Spurenabnahme von Hautkontaktspuren auf Glas 

Janine Schulte, Nicole Rittiner, Ilona Seiberle, Sarah Kron, Iris Schulz

Hautkontaktspuren, auch «Touch DNA» genannt, sind in der forensischen Fallarbeit immer wichtigere Beweismittel geworden. Aufgrund ihrer unsichtbaren Natur und der typischerweise winzigen DNA-Mengen stellt die Sicherung nach wie vor eine besondere Herausforderung dar. Bisher wird meist ein mit Wasser befeuchteter Abstrichtupfer verwendet, obwohl Wasser die Zellstruktur beschädigen kann. Die Studie untersuchte, ob verschiedene Tupferlösungen und -volumina im Vergleich zu wasserbefeuchteten und trockenen Tupfern die DNA-Ausbeute bei berührten Glasobjekten steigern können. Ein weiteres Ziel war es, die Auswirkung der Lagerung von Tupferlösungen über 3 und 12 Monate auf die DNA-Ausbeute und Profilqualität zu analysieren. Die Ergebnisse zeigten, dass das Volumen keinen signifikanten Einfluss auf die DNA-Ausbeute hatte, während Detergens-basierte Lösungen, insbesondere SDS, besser abschnitten als Wasser. Obwohl bei allen gelagerten Lösungen die Degradationsindizes anstiegen, blieb die DNA-Menge und Profilqualität stabil. Das uneingeschränkte Verarbeiten von mindestens 12 Monate lang gelagerten Proben ist möglich.

Publikationsliste

Zygotic-splitting after in vitro fertilization and prenatal parenthood testing after suspected embryo mix-up – a case report. Schulz I, Schulte J, Wand D.  IJLM-D-24-00071, 2024, doi.org/10.1007/s00414-024-03245-9

Targeted recovery of male cells in a male and female same-cell mixture. Hogg J, Vandepoele ACW, Zaccheo N, Schulte J, Schulz I, Dubois J, Frank M, Marciano MA. 2024. doi.org/10.1111/1556-4029.15514

DEPArray™ single-cell technology: A validation study for forensic applications. Schulte J, Caliebe A, Marciano MA, Neuschwander P, Seiberle I, Scheurer E, Schulz I. 2024. Forensic Sci Int Genet. doi.org/10.1016/j.fsigen.2024.103026

A systematic approach to improve downstream single-cell analysis for the DEPArrayTM technology. Schulte J, Marciano MA, Scheurer E, Schulz I. J Forensic Sci. 2023. doi.org/10.1111/1556-4029.15344

Collecting touch DNA from glass surfaces using different sampling solutions and volumes: Immediate and storage effects on genetic STR analysis. Schulte J, Rittiner N, Seiberle  I, Kron S, Schulz I. J Forensic Sci. 2023. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1556-4029.15305

The DNA-Buster: The evaluation of an alternative DNA recovery approach. Währer J, Kehm S, Allen M, Brauer L, Eidam O, Seiberle I, Kron S, Scheurer E, Schulz I. Forensic Sci Int Genet. 2023. May. 64. doi.org/10.1016/j.fsigen.2023.102830

Recommendations for the successful identification of altered human remains using standard and emerging technologies: results of a systematic approach. Senst A, Caliebe A, Drum M, Cossu C, Zieger M, Scheurer E, Schulz I. Forensic Sci Int Genet. 2023. Jan. 62. 102790. doi.org/10.1016/j.fsigen.2022.102790

Technical note: Comparison of forensic swabs for intravaginal sampling. Science & Justice. Egger S, Vöhringer C, Währer J, Schulz I. 2022. 62:418-423.  doi.org/10.1016/j.scijus.2022.05.006

Collaborative swab performance comparison and the impact of sampling solution volumes on DNA recovery. Seiberle I, Währer J, Kron S, Flury K, Girardin M, Schocker A, Schulz I. Forensic Sci Int Genet. 2022. Jul. 59. 102716. doi.org/10.1016/j.fsigen.2022.102716

Validation and beyond: Next Generation Sequencing of forensic casework samples including challenging tissue samples from altered human corpses using the MiSeq FGx system. Senst A, Caliebe A, Scheurer E, Schulz I. J Forensic Sci. 2022;00:1–17. doi.org/10.1111/1556-4029.15028

Which tissue to take? A retrospective study of the identification success of altered human remains. Senst A, Scheurer E, Gerlach K, Schulz I.  J Forensic Leg Med. 2021 Nov;84:102271. doi.org/10.1016/j.jflm.2021.102271. Epub 2021 Oct 26. PMID: 34715438.

Identification and characterisation of novel rapidly mutating Y-chromosomal short tandem repeat markers. Ralf A, Lubach D, Kousouri N, Winkler C, Schulz I, Roewer L, Purps J, Lessig R, Ploski R, Krajewski P, Dobosz T, Henke L, Henke J, Larmuseau MHD, Kayser M.  Human Mutation. 2020 Jun; 41:1680-1696. https://doi.org/10.1002/humu.24068

Fehlerhafte Geschlechtsbestimmung aufgrund partieller Deletion des Y-Chromosoms. Egger S, Wand D, Scheurer E, Schulz I, Dion D, Balitzki B. Rechtsmed. 2020 Apr;30:94-100. doi.org/10.1007/s00194-020-00373-5

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