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Fallbeispiele der Ombudsstelle

Wenn der Geburtstag nicht ins System passt

Ein Kind mit einem Schweizer Vater und einer ausländischen Mutter kommt in Basel auf die Welt. Einen Monat vor der Geburt war die Mutter in die Schweiz gezogen. Nun gibt es Probleme mit den Rechnungen der Geburtsklinik. Für diese stellt sich die Frage, an welchem Tag das Kind im offiziellen Register eingetragen wurde.

Herr Keller heiratete seine hochschwangere Frau in Schweden. Frau Keller lebte zu diesem Zeitpunkt noch in Schweden, wohin sie vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflüchtet war. Kurz nach der Hochzeit stellte Herrn Kellers Anwalt ein Gesuch um Familiennachzug für Frau Keller und sie zog zu ihrem Mann in die Schweiz.
Einen Monat nach dem Umzug wurde die Tochter Lina geboren. 

Ein Jahr später wendet sich Herr Keller mit Fragen zu den Spitalrechnungen an die Ombudsstelle. Er erklärt, es gebe für die Leistungen des Spitals bei der Geburt zwei Rechnungen: eine für Frau Keller und eine für Lina. 

«Die Krankenkasse hat ihren Anteil an den Rechnungen längst bezahlt. Ich verstehe nicht, weshalb der Kanton den Kantonsanteil nicht übernimmt», meint Herr Keller. Bei stationären Spitalaufenthalten übernimmt jeweils die Krankenkasse einen Teil der Rechnung und der Kanton den anderen Teil. 

Die Überprüfung durch die Ombudsstelle erweist sich als kompliziert, weil verschiedene Stellen involviert sind: Auf Nachfrage beim Spital heisst es, man habe schon länger und bislang ohne Resultat nach einer Lösung gesucht. Das Gesundheitsdepartement übernehme den Kantonsanteil von Spitalrechnungen jeweils basierend auf den Informationen des Einwohneramts. Die Klärung müsse also dort erfolgen.

Daraufhin kontaktiert die Ombudsstelle das Einwohneramt. Es stellt sich heraus, dass das offizielle Zuzugsdatum von Lina einen Tag nach ihrer Geburt liegt, das von Frau Keller einige Monate später.

Weshalb dies so ist und ob die Verzögerungen berechtigt waren, klärt die Ombudsstelle daraufhin beim Migrationsamt ab. Bezüglich Frau Keller wird die Auskunft gegeben, dass die Prüfung der Gültigkeit der Ehe länger gedauert habe, weil Herrn Kellers Anwalt die nötigen Dokumente nicht eingereicht habe. Der Grund für die Verzögerung lag also nicht beim Migrationsamt. 

Somit hielt sich Frau Keller zum Zeitpunkt der Geburt zwar mit einem Aufenthaltstitel eines EU-Lands legal in der Schweiz auf, war aber offiziell noch nicht angemeldet. Dadurch ist für die Ombudsstelle klar, dass der Kanton den Anteil der Spitalkosten für die Mutter berechtigterweise nicht übernimmt, obwohl das auf den ersten Blick unverständlich erscheinen mag.
Dies meldet die Ombudsstelle Herrn Keller als Zwischenfazit zurück, damit er diese eine Rechnung umgehend bezahle, während die Ombudsstelle weitere Abklärungen trifft.

Und was ist mit der Rechnung für Lina?

Offen ist weiterhin die Frage, weshalb Lina als Tochter eines Schweizer Bürgers nicht an ihrem Geburtstag, sondern erst am Tag nach ihrer Geburt eingetragen wurde. Die Frage ist deshalb wichtig, weil jeweils der erste Tag der Behandlung den Ausschlag dafür gibt, wer die Kosten in welchem Umfang trägt. 

Für diese Frage verweist das Migrationsamt erneut an die Einwohnerdienste.

Diese erklären, dass Neugeborene normalerweise im Einwohnerregister beim Eintrag der Mutter zugefügt werden. Da in diesem Fall Frau Keller nicht im Einwohnerregister verzeichnet war, wurde ein Zuzug von Lina zum Vater am Folgetag eingetragen – dies sei nicht anders möglich. Das System gehe vom Grundsatz aus, dass Neugeborene in der ersten Zeit mit der Mutter zusammenleben. Deshalb sei es so programmiert, dass ein Zuzug zum Vater nicht am Tag der Geburt eingegeben werden könne. Diese Software sei für mehrere Kantone und Gemeinden entwickelt worden und werde einheitlich angewandt.

Da die Ombudsstelle dies im Ergebnis als stossend erachtet, fragt sie nach der gesetzlichen Grundlage für diese Handhabung. Im Zuge der weiteren Prüfung schlägt das Einwohneramt unter Bezug auf das Gleichstellungsgesetz eine pragmatische Lösung vor: Weil der einzelne Tag wohl nur in diesem Kontext eine Rolle spielt, kann Herrn Keller eine schriftliche Bestätigung zugestellt werden, in der steht, dass Lina ab dem Tag der Geburt beim Vater angemeldet ist.

Nachdem Herr Keller das entsprechende Schreiben vom Einwohneramt erhält, nimmt er mit dem Spital wieder Kontakt auf. Dieses leitet daraufhin die Kostenübernahme für den Kantonsanteil der Rechnung für Lina ein und so findet die komplizierte Angelegenheit endlich ihren Abschluss.

Wer bin ich? oder "Die falsche Doppelgängerin"

Eine zufällige Personenkontrolle. Eine zufällig entdeckte Verkehrsbusse aus der Vergangenheit. Eine Beschuldigte, die weder Auto noch Velo fährt und nur gebrochen Deutsch spricht. Ein aufgebrachter Sohn, der hartnäckig die Unschuld seiner Mutter beteuert. Und eine Wendung, die kein Hollywood-Autor erfinden könnte.

Aufgebracht ruft Luiz Garcia bei der Ombudsstelle an. Am Tag zuvor sei seine Mutter beim Messeplatz von der Polizei kontrolliert worden. Die Polizei habe dabei behauptet, es sei noch eine Verkehrsbusse von vierzig Franken aus dem Jahr 2018 offen. Seine Mutter rede nur gebrochen Deutsch und habe darum gebeten, ihren Sohn anzurufen, doch stattdessen hätten ihr die Polizisten das Natel weggenommen und sie in Handschellen auf den Claraposten geführt. Frau Garcia habe zu erklären versucht, sie fahre gar nicht Auto, habe nicht einmal einen Führerschein – vergebens.

Luiz Garcia erwartet eine Entschuldigung der Polizei für das rüde Verhalten – und eben: seine Mutter lebe schon lange in der Schweiz und habe noch nie eine Busse oder eine Mahnung erhalten, sie könne das gar nicht gewesen sein.

Auf Nachfrage bei der Polizei erfährt die Ombudsstelle die Umstände der Kontrolle: Seit 2018 sei die Verkehrsübertretung offen, trotz wiederholter Mahnungen und eines zugestellten Strafbefehls. Schliesslich sei die fehlbare Maria Garcia, wie in solchen Fällen üblich, zur Fahndung ausgeschrieben worden.

Wird die gesuchte Person gefunden, könne sie dann wählen, ob sie die Busse bezahlen oder die Busse als «Umwandlungshaft» im Gefängnis absitzen wolle. 

Die beteiligten Polizisten berichten, die Kontrolle sei aus ihrer Sicht ruhig verlaufen. Frau Garcia habe behauptet, sie könne das nicht gewesen sein, aber Name und Geburtstag im System hätten mit Frau Garcias Pass übereingestimmt. Sie würden jedoch veranlassen, dass Frau Garcia den Strafbefehl nochmals zugestellt bekomme. Die Polizisten seien auch selbstverständlich zu einem Gespräch bei der Ombudsstelle bereit, um die Situation mit Frau und Herrn Garcia nochmals anzuschauen. Herr Garcia ist jedoch unzufrieden mit dieser Antwort und pocht auf die Unschuld seiner Mutter.

Auch die Ombudsstelle verfolgt den Fall weiter und bringt bei der Polizei den Hintergrund der Busse in Erfahrung: 2018 sei ein Auto mit deutschem Kennzeichen in einer 30er-Zone geblitzt worden und sowohl die Zustellung von Mahnungen als auch die Zustellung des Strafbefehls seien von der Fahrzeughalterin Maria Garcia (wohnhaft im deutschen Grenzgebiet) bestätigt worden.

Filmreife Verwechslung

Am selben Tag meldet sich Herr Garcia bei der Ombudsstelle, und nun nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung. Als er den Original-Strafbefehl von 2018 erhalten habe, sei ihm das Problem klargeworden: Seine Mutter wohne ja seit vielen Jahren in Frenkendorf, der Strafbefehl sei aber an Maria Garcia in Deutschland adressiert gewesen.

Herr Garcia holt aus: Seine Mutter stamme aus einem kleinen spanischen Dorf, in dem drei Viertel der Familien Garcia heissen würden. Vor 63 Jahren seien am selben Tag drei Mädchen geboren worden und alle seien auf den Namen Maria Garcia getauft worden. Eine davon, seine Mutter, sei in die Schweiz ausgewandert, eine nach Deutschland, die dritte nach Italien.

Nun kann die filmreife Verwechslung rasch geklärt werden. Niemand hätte gedacht, dass Name und Geburtsdatum in diesem Fall keine eindeutige Identifikation ergeben, und auch die Kontrollierte selbst hatte vergessen, dass es ja eine «Doppelgängerin» im grenznahen Deutschland gibt.

Wenige Wochen später treffen sich Herr und Frau Garcia mit den beteiligten Polizisten und deren Vorgesetzten bei der Ombudsstelle. Die Polizei bittet um Entschuldigung für die Verwechslung und klärt die offenen Fragen von Frau Garcia. Neben der Rückzahlung des Bussgeldes anerkennt die Polizei ihren Fehler auch durch eine Auswahl von süssen Basler Spezialitäten, die Frau Garcia gerne als Entschuldigung annimmt. Am Schluss einigen sich beide Seiten lachend darauf, dass kein Drehbuchautor so eine Geschichte erfinden könnte – ein glückliches Happy End.

Abfallsorgen

Mehrere Personen beschweren sich über Abfallbussen, welche ungerechtfertigt seien. Ein Herr befürchtet gar, dass es nicht bei einer Busse bleiben werde, sondern dass sich das Ganze wiederholen könne. Kann die Ombudsstelle da etwas machen? 

Abfallbussen beschäftigen die Ombudsstelle normalerweise nicht. In den ersten Monaten des Jahres 2023 haben sich aber mehrere Personen an die Ombudsstelle gewandt, weil sie aus ihrer Sicht ungerechtfertigterweise eine Abfallbusse erhalten hatten.

Gemeinsam war den Beschwerden, dass die Betroffenen die Busse unbegründet fanden und dass sie sich staatlicher Willkür ausgeliefert sahen. Eine Klientin beschrieb es in einem Mail so: «Dass ich eine Straftat nicht begangen habe, kann ich nicht belegen. Ein Negativ kann man selbstverständlich nicht beweisen.»

Die Gründe für die Bussen waren unterschiedlich: Einmal ging es um den Vorwurf, die Person habe einen schwarzen Sack statt eines Bebbi-Sacks verwendet, einer anderen Person wurde vorgeworfen, sie habe Sperrmüll ohne Etikette am Strassenrand deponiert. Die Personen waren in verschiedenen Quartieren wohnhaft. Es gab also keinen gemeinsamen Nenner.

Bei Ordnungsbussen – und Abfallbussen gehören dazu – hat die Ombudsstelle kaum Handlungsspielraum, denn sie sind als vereinfachtes Verfahren für klare, unstrittige Sachverhalte gedacht. Wenn die gebüsste Person nicht einverstanden ist, kann sie ihre Einwände bei der Polizei einreichen. Hält die Polizei an der Busse fest und bezahlt die gebüsste Person den Betrag nicht, geht das Verfahren an die Staatsanwaltschaft, welche dann über den Sachverhalt entscheidet. 

Deshalb kann die Ombudsstelle Personen, welche sich über Bussen beschweren, meist nur den Ablauf erklären und ihnen aufzeigen, welche Möglichkeiten sie haben, um sich zu wehren, und welche Risiken sie dabei im weiteren Verfahrensverlauf eingehen.

Fragen und Sorgen

Die ungewöhnliche Häufung der Beschwerden über Abfallbussen führt zur Frage, ob die Abfallkontrolleure ihre Praxis geändert haben.

Ausserdem macht sich ein betroffener Klient, Herr Peter, grosse Sorgen, es könnte bei ihm zu weiteren Bussen kommen: «Ich habe alle meine alten Medikamentenschachteln, die namentlich angeschrieben waren, in einem blauen Bebbi-Sack entsorgt. Die Spitex kann dies bezeugen», berichtet er der Ombudsstelle. Eine der Schachteln sei aber offenbar von den Abfallkontrolleuren in einem schwarzen Abfallsack aufgefunden worden, was zur Busse geführt habe. Er befürchtet nun, dass sich jemand dieser Schachteln bemächtigt haben könnte und künftig weitere Schachteln in anderen schwarzen Abfallsäcken auftauchen könnten.

Die Ombudsstelle nimmt mit dem zuständigen Leiter, Herrn Stalder, Kontakt auf. Mit ihm wird vereinbart, Herrn Peters Anliegen vordringlich zu besprechen und die Bussenpraxis später zu überprüfen.

Herr Stalder zeigt Verständnis für die Sorgen von Herrn Peter. Für den Fall, dass in Zukunft ein weiterer schwarzer Sack mit einer namentlich angeschriebenen Medikamentenschachtel von Herrn Peter aufgefunden wird, seien seine Leute instruiert, mit ihm Kontakt aufzunehmen, bevor sie eine Busse schicken. Als Herr Peter von dieser pragmatischen Lösung erfährt, ist er sehr erleichtert.

Zur Bussenpraxis der Abfallkontrolleure erklärt Herr Stalder beim späteren Austausch, dass sie sich in der letzten Zeit nicht verändert habe. 

Der Leiter schildert den Ablauf der Kontrollen, sodass sich die Ombudsstelle ein umfassendes Bild machen kann. Auf die strategische Vorgehensweise kann an dieser Stelle aus Vertraulichkeitsgründen nicht weiter eingegangen werden, sie ist aber für die Ombudsstelle nachvollziehbar und bürger:innenfreundlich ausgestaltet. Und die Vorgabe sei: Wenn ein Zweifel bestehe, werde keine Busse ausgesprochen.

Auch die Möglichkeiten der Betroffenen werden vertieft angeschaut: Was können sie tun, wenn sie mit der Busse nicht einverstanden sind, einen Einwand machen oder Einsicht in die Beweismittel nehmen möchten? Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Beweismittel aus verfahrenstechnischen Gründen nicht herausgegeben werden können. Im Rahmen der Möglichkeiten werden aber pragmatische Lösungen gesucht, beispielsweise die betroffene Person mündlich über den Sachverhalt zu informieren.

Die Ombudsstelle kommt zu dem Schluss, dass die Bussenpraxis angemessen ausgeübt wird. Der Grund für den Anstieg der Beschwerden über Abfallbussen bleibt ungeklärt. Im weiteren Verlauf des Jahres gab es kaum weitere Beschwerden bei der Ombudsstelle über Abfallbussen. Auch für das Nichtauftreten von Beschwerden gilt: ein Negativ kann nicht erklärt werden.

Wer warten muss, den bestraft die Praxisanpassung?

Eine Frau gibt ihren Antrag auf C-Bewilligung persönlich am Schalter ab. Als der Antrag endlich behandelt wird, hat sich die Praxis geändert und es fallen zusätzliche Kosten an. Muss die Frau trotz ihrer rechtzeitigen Eingabe die höheren Kosten übernehmen?

«Sie können schon Schweizerdeutsch mit mir reden,» sagt Frau Miere gleich zu Beginn, «ich verstehe Sie gut». Frau Miere lebt seit 2017 in der Schweiz, arbeitet in leitender Stellung bei einer Privatbank und hat eine B-Bewilligung.

Im November 2022 beantragte sie eine Aufenthaltsbewilligung «C» und gab den Antrag persönlich am Schalter beim Spiegelhof ab. «Leider habe ich keine Empfangsbestätigung erhalten, obwohl ich darum gebeten hatte.» Dann habe sie nichts mehr gehört. Als sie im Januar 2023 beim Migrationsamt nachfragte, erfuhr sie, der Antrag sei nicht angekommen, sie müsse das halt noch mal machen. Allerdings sei nun neu ein zusätzlicher Sprachtest verlangt. «Der Test macht mir keine Sorgen, aber man muss zusätzlich 250 Franken dafür bezahlen. Und ich habe meinen Antrag ja eingegeben, als noch die alte Regelung galt. Das finde ich nicht richtig.»

Aus Sicht von Frau Miere war es also so, wie wenn sie am 22. Dezember einen Brief zum Tarif von 1.10 Franken aufgegeben hätte und dann eine Busse erhält, weil die Post den Brief erst im neuen Jahr nach der Gebührenerhöhung befördert hat.

Kann ein Dossier einfach so verschwinden?

Als erstes versuchte die Ombudsstelle den Weg des verschwundenen Antrags nachzuvollziehen. Sie erfuhr, dass persönlich abgegebene Anträge ans Migrationsamt lange durch das Einwohneramt (EA) angenommen und von dort zum Migrationsamt gebracht wurden. Das EA erhält vom Migrationsamt jeweils keine Empfangsbestätigung für die Anträge, und der Amtsleiter bedauerte auch, dass die Einreichung nicht online möglich ist. Beim Migrationsamt wiederum erhält die Ombudsstelle die Auskunft, dass die Post vom EA jeden Tag von jemand anderem sortiert werde, und dass die Arbeitsbelastung seit Längerem enorm hoch sei, was zu Verzögerungen in der Bearbeitung führe. Frau Mieres Antrag fiel zudem in die Zeit des Umzuges des Migrationsamtes vom Spiegelhof ins Kleinbasel.

Bei beiden Stellen bittet die Ombudsstelle, die Arbeitsabläufe auf mehr Einfachheit und Kund:innenfreundlichkeit zu überprüfen.
Im Migrationsamt ist Herr Weber Frau Mieres Ansprechperson, mit ihm nimmt die Ombudsstelle nun Kontakt auf.
In der elektronischen Ablage ist Frau Mieres Antrag nirgends vorhanden, und dass der Antrag noch in einem physischen Stapel liegt, schliesst Herr Weber aus: Die Anträge würden bei der Postverteilstation direkt eingescannt und danach vernichtet.

Bekannt für ihre Zuverlässigkeit

Herr Weber mag sich allerdings gut an Frau Miere erinnern, denn sie hatte bereits im vergangenen Sommer die C-Bewilligung beantragt gehabt. Stattdessen wurde dann jedoch ihre B-Bewilligung verlängert, weil Frau Miere zu diesem Zeitpunkt noch knapp zu wenig lange in Basel gelebt hatte. Es ist dokumentiert, dass Frau Miere immer alle Eingaben vorzeitig und vollständig eingereicht hatte, und auch Frau Mieres schriftliche Ankündigung ist vermerkt, sie werde sofort eine C-Bewilligung beantragen, sobald das möglich sei.

Dies alles lässt Herrn Weber einräumen, dass er davon ausgehen müsse, der Fehler sei tatsächlich aufseiten des Migrationsamts geschehen. Er werde mit seiner Vorgesetzten prüfen, ob eine Ausnahme gemacht werden könne.

Fehler als Helfer

Eine Woche später meldet sich die Ombudsstelle wieder bei Herrn Weber, und tatsächlich: Es bestehe die Möglichkeit, dass das Migrationsamt bei Frau Miere nach der alten Praxis verfahre.

Wenige Tage später reicht Frau Miere alle notwendigen Unterlagen ein – und wiederum einige Wochen später erhält sie den Bescheid, ihr Antrag werde wie vor der Praxisänderung behandelt. Frau Miere erhält daraufhin die ersehnte C-Niederlassungsbewilligung.

Das Migrationsamt bringt sowohl an der Spiegelgasse 12 wie an der Spiegelgasse 6 (beim Eingang zur Empfangshalle) gut sichtbar und klar beschriftet je einen Briefkasten an, in den Anträge an das Migrationsamt eingeworfen werden können, ohne dass man beim Einwohneramt auf einen freien Schalter warten muss. Die Briefkästen werden von einem Kurier täglich geleert und der Inhalt an die Sandgrubenstrasse gebracht, wo die Anträge bearbeitet werden.

Geteilte Obhut, aber ungeteilte Sozialbeiträge – ist das fair?

Ein Ehepaar hat sich bei der Trennung für eine «geteilte Obhut» entschlossen. Obwohl der Vater alle Kosten der Betreuung zur Hälfte mitträgt, erhält er nichts von den Sozialbeiträgen. Ist das ein faires Prinzip?

Herr Redhopf und seine Frau haben sich im Frieden getrennt. Damit ihre drei Kinder auch weiterhin zu beiden Elternteilen eine gleichwertige Beziehung haben, wählten sie das Modell der geteilten Obhut, der Vater hat eine entsprechende Wohnung in der Nähe gefunden. «Das hat sich recht gut eingespielt. Erst mit der Zeit ist mir in den Sinn gekommen, dass die Mietzinsbeiträge wie auch die Kinder- und Familienzulagen ja samt und sonders meiner Ex-Frau zukommen. Das finde ich nicht fair, denn wir verdienen beide etwa gleich viel und tragen finanziell wie zeitlich auch gleich viel zur Betreuung unserer Kinder bei. Beim Amt für Sozialbeiträge musste ich jedoch hören, das Problem liege beim Einwohneramt, die Sozialbeiträge würden an die Adresse ausbezahlt, bei der die Kinder angemeldet seien. Beim Einwohneramt wiederum sagte man mir, die Eingabemaske im PC lasse nur eine Adresse beim Kind zu. Das sei vom Gesetz so vorgegeben.» Herrn Redhopf sei es aber so vorgekommen, als ob die eine Abteilung die Verantwortung einfach an die andere abschieben wolle, damit sie nichts tun müssen.

Geteilte Obhut ist mittlerweile der Standard

Die Ombudsstelle hat Verständnis für den Ärger von Herrn Redhopf: Bei Trennungen wählen Eltern zunehmend das Modell der geteilten Obhut, und in getrennten Elternbeziehungen gibt es bereits viel Konfliktpotenzial. Wäre es da nicht hilfreich, einen möglichen «Konflikttreiber» zu eliminieren, indem Kantonsbeiträge gleichmässig verteilt werden?

Obwohl das Thema letztlich auf politischer Ebene gelöst werden müsste, klärt die Ombudsstelle vorerst ab, ob es bei den involvierten Ämtern Handlungsspielraum für pragmatische Lösungen gibt.

Vom Einwohneramt erhält sie folgende Auskunft: «Ja, wir wissen um die Problematik. Es ist ein Bundesgesetz, dass ein Kind nur an einer Adresse gemeldet werden darf. Wenn es in Fällen geteilter Obhut mehrere Kinder gibt, schlagen wir den Eltern jeweils vor, die Hälfte der Kinder bei einem der Elternteile zu melden». Aus Sicht der Ombudsstelle ist das Vorgehen des Einwohneramts das Paradebeispiel eines «Workarounds», das den Handlungsspielraum zugunsten der Betroffenen bestmöglich zu nützen versucht.

Als nächstes nimmt die Ombudsstelle Kontakt mit dem Leiter des Amts für Sozialbeiträge auf. Dort stellt sich heraus, dass es bei geteilter Obhut unterschiedlichste Situationen und mehrere involvierte Amtsstellen gibt.

Bringt ein runder Tisch Klarheit?

Daraufhin entschliesst sich die Ombudsstelle zu einem Round-Table-Gespräch mit den Leitern des Kinder- und Jugenddienstes (KJD), der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), des Amtes für Bevölkerungsdienste (ABD) und des Amtes für Sozialbeiträge (ASB).

In diesem offenen Austausch zum Thema «Geteilte Obhut und kantonale Sozialbeiträge – Konfliktpotenzial und Lösungswege» teilen die Amtsleiter ihre unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema und lernen von ihren Kollegen neue Aspekte kennen.

Rasch wird die Komplexität deutlich: Was geschieht zum Beispiel, wenn ein Elternteil in einem anderen Kanton wohnt? Oder wenn sich die prozentuale Beteiligung an der Kinderbetreuung geringfügig ändert?

Die am wenigsten mangelhafte Lösung

Am Schluss der engagierten Diskussion sind sich alle einig:

  • Beim Thema Sozialbeiträge wird es immer Einzelfälle geben, die gesetzlich nicht regelbar sind und bei denen ein Rest Unzufriedenheit zurückbleibt.
  • Die Beteiligten müssen immer auch die Bereitschaft zu eigenen Lösungen zeigen. Im vorliegenden Fall könnte zum Beispiel einfach der eine Elternteil dem anderen Elternteil die Hälfte der Beträge überweisen.
  • Es ist unmöglich, zu jedem Zeitpunkt jeder einzelnen möglichen Anspruchsgruppe zu 100% gerecht zu werden. Das wäre eine eierlegende Wollmilchsau-Lösung.
  • Die momentane Regelung ist also quasi «die am wenigsten schlechte aller schlechten Lösungen».

Die Ombudsstelle nimmt aus der Diskussion verschiedene Erkenntnisse mit: 

  • In allen Amtsstellen wird versucht, wo immer möglich individuelle Lösungen zu finden.
  • Viele Rahmenbedingungen sind bundesweit vorgegeben.
  • Wo Eltern in Konflikten leben, nützen die besten Gesetze nichts.
  • Scheinbar einfache «Lösungen» für eine bestimmte Situation haben so viele Nebenwirkungen, dass sie rasch zu «Verschlimmbesserungen» verkommen.
  • Beschwerden wird überall eine hohe Priorität eingeräumt, um möglichen Ungerechtigkeiten in Entscheiden vorzubeugen.

Der überdotierte Vertrag

Ein Lehrer zieht für eine Stelle in die Schweiz. Nach zwei Monaten erhält er plötzlich weniger Lohn als vertraglich festgelegt. Er erfährt, dass auf dem Vertrag ein zu hoher Betrag gestanden sei, weshalb er jetzt weniger erhalte. Ist nicht gültig, was auf dem von allen Seiten unterschriebenen Arbeitsvertrag steht?

Herr Ringwald aus Haltern am See hat in der Schweiz einen Job als Sekundarlehrer gefunden. Auch der Lohn bewog ihn dazu, nach Basel zu ziehen.
Nach zwei Monaten erhielt er jedoch plötzlich rund 20% weniger ausbezahlt als auf seinem Vertrag stand. 
Auf Nachfrage bei der Personalabteilung erhielt er ein kurzes Mail eines HR-Mitarbeiters. Auf dem unterzeichneten Vertrag sei der falsche Lohn gestanden, nämlich der für 100%. Er arbeite jedoch nur 80% und das werde ihm nun korrekterweise ausbezahlt, nachdem der Fehler bemerkt worden sei. Man werde ihm einen korrigierten Vertrag schicken.

Herr Ringwald wartete auf den korrigierten Vertrag – vergebens. Er bat seine Schulleiterin, für ihn bei der Personalabteilung zu intervenieren – ebenfalls vergeblich.

"Ich habe nur den unterschriebenen Vertrag - aber bekomme einen ganz anderen Lohn"

Von einer Kollegin hatte Herr Ringwald von der Ombudsstelle gehört und erzählte dieser nun von seiner Irritation: «Ob ich alles in meiner Heimat zurückgelassen hätte, wenn ich von Anfang an vom korrekten Lohn ausgegangen wäre, ist eher fraglich. Ich habe weiterhin nur den von allen Seiten unterschriebenen Vertrag mit dem Lohn, den ich aber nicht ausbezahlt erhalte, und mittlerweile sind 6 Monate vergangen.»

Die Ombudsstelle setzt sich mit HR-Leiter Herrn Flogge in Verbindung. Das ist nicht ganz einfach, weil dieser gerade einen unbezahlten Urlaub nimmt. Als die Ombudsstelle nach seiner Rückkehr mit Herrn Flogge spricht, ist dieser sofort zu einer Überprüfung bereit. Nur wenige Tage später kann gemeinsam mit der Ombudsstelle rekonstruiert werden: Im System wurde der Lohn erst auf 100% berechnet, weil die Stelle mit «80-100%» ausgeschrieben worden war. Doch weder wurde im Vertrag der Lohn dem Stellenumfang angepasst noch wurde bei den Personalangaben die neue Schweizer Wohnadresse nachgeführt. Somit wurde der angepasste Vertrag nach Deutschland verschickt (wo Herr Ringwald nicht mehr wohnte) und dort offenbar weder weitergeleitet noch zurückgeschickt.

Falsche Löhne müssen korrigiert werden

Herr Flogge kann den Ärger von Herrn Ringwald verstehen. Was die Ombudsstelle bereits recherchiert hatte, wird jedoch von Herrn Flogge bestätigt, nämlich dass das Gesetz auch bei Verschulden aufseiten des Arbeitgebers vorsieht, dass offensichtlich falsche Löhne korrigiert werden müssen. «Auch rückwirkend», sagt Herr Flogge. Deshalb sei es sogar möglich, dass Herr Ringwald von den ersten beiden Löhnen den zu viel ausbezahlten Betrag zurückzahlen müsse. Zu einem klärenden Gespräch mit Herrn Ringwald ist Herr Flogge natürlich jederzeit bereit.

Die Ombudsstelle überbringt die schlechte Nachricht einem erzürnten Herrn Ringwald, der auch rechtliche Schritte in Erwägung zieht. Statt dass ihm mit Rückforderungen gedroht wird, erwarte er, dass der auf dem unterschriebenen Vertrag genannte Lohn ausbezahlt wird. Die Ombudsstelle kann verstehen, dass die Sachlage Herrn Ringwalds Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, auch wenn das Gesetz klar ist. Immerhin ist Herr Ringwald bereit, sich mit Herrn Flogge und der Ombudsstelle an einen Tisch zu setzen, um über seinen Ärger zu sprechen.

Entgegenkommen durch das HR

Wenige Wochen darauf findet dieses Gespräch statt. Herr Flogge bittet Herrn Ringwald um Entschuldigung für die diversen Fehler und informiert ihn darüber, dass er nichts von den ersten beiden Löhnen zurückzahlen muss. Herr Flogge hält gar noch eine Überraschung bereit: Beim nochmaligen Überprüfen sei ihm aufgefallen, dass Herr Ringwald mittlerweile eine Lohnstufenerhöhung erhalten hat, die ihm rein rechtlich erst später zugestanden hätte. Als Zeichen der Kulanz müsse Herr Ringwald diese Beträge nicht zurückzahlen. 

Das Angebot von Herrn Flogge und die Forderung von Herrn Ringwald liegen nun nahe beieinander und Herr Ringwald sagt zum Schluss: «Ich fühle mich immer noch ungerecht behandelt, aber ich sehe, wie Sie sich für mich eingesetzt haben. Ich werde die Kröte deshalb schlucken.» Herr Flogge wiederum findet, dass der Kanton seine Kulanz bis an die Grenze ausgereizt hat.

Ombudsstelle

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Freie Strasse 52
4001 Basel

Öffnungszeiten

061 261 60 50

Montag bis Freitag
08.00 bis 12.00 Uhr
14.00 bis 17.00 Uhr

Gesprächstermine nach Vereinbarung

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