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Wieso trennen sich von Gewalt betroffene Personen nicht?

Es fällt uns schwer zu verstehen, wieso gewaltbetroffene Personen zurück zur gewaltausübenden Person gehen und ihnen nochmals Chancen geben. Hier versuchen wir, Ihnen mehr Informationen zu geben, damit Sie Gewaltbetroffenen verständnisvoll begegnen können.

Gestresste Person sitzt auf einer Couch, bedeckt das Gesicht mit den Händen.
Meist braucht es mehrere Anläufe, um eine von Gewalt geprägte Beziehung zu verlassen.
© Christian Erfurt über unsplash

Die Trennung wird von aussen als einfache Lösung gesehen, um die Gewalt zu beenden. Eine Trennung beendet die Gewalt aber oft nicht, sondern kann diese sogar verschlimmern. Meist braucht es mehrere Versuche bis zur endgültigen Trennung. 

Eine angekündigte oder vollzogene Trennung ist meist ein Moment der Eskalation, in welchem es zu schlimmer bis tödlicher Gewalt kommen kann, und mittels Stalking kann die Nachtrennungsgewalt über Jahre andauern. Die Angst der Betroffenen vor der Trennung ist daher rational und sollte ernst genommen werden. Mit Planung kann das Risiko minimiert werden.

Meist denken wir an äussere Umstände zur Begründung, wieso Personen in einer von Gewalt geprägten Beziehung bleiben. Kinder, finanzielle Unsicherheit nach der Trennung und rechtliche Aspekte, wie z.B. eine Aufenthaltsbewilligung, welche von der Beziehung abhängig ist. Es sind strukturelle Gründe, wieso Personen eine Beziehung nicht verlassen. Je nach religiöser oder kultureller Gemeinschaft, welcher die Person angehört, kann eine Trennung auch grosse soziale Isolation bedeuten.

Es gibt aber auch viele wichtige emotionale Gründe, in einer Beziehung zu bleiben: 

  • Eine Beziehung fängt mit Liebe an. Diese Liebe hört meist nicht sofort auf und wird auch immer wieder genährt (siehe Gewaltkreislauf). 
  • Gewaltausübende erzeugen emotionale Abhängigkeit, damit die Person bei ihnen bleibt. Durch die Gewalt verliert die betroffene Person Ressourcen, und kann sich ein Leben ohne diese Beziehung nicht gut vorstellen. Z.B. versuchen Gewaltausübende das Gefühl zu erzeugen, die Betroffene Person würde keine andere Person finden, die sie liebt. 
  • Auch die Scham ist ein wichtiger Grund, weshalb Betroffene in der Beziehung bleiben. Die Person möchte nicht, dass ihr Umfeld weiss, dass sie Opfer von Gewalt geworden ist.  
  • Ein weiterer emotionaler Grund zu bleiben, ist die Angst. Dies kann Angst vor der Einsamkeit oder Überforderung sein, aber auch Angst vor einer Eskalation der Gewalt. 

Animierte Kurzfilme für die Sensibilisierung zu Gewalt in der Partnerschaft 

Mit animierten Kurzfilmen wird für das Thema Gewalt in der Partnerschaft sensibilisiert. Die Videos, welche von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern animiert wurden, zeigen auf eindrückliche Weise die Gewalt, welche oft versteckt bleibt und zu wenig thematisiert wird. Die Videos sind hier abrufbar: Animierte Videos – withyou (with-you.ch)

Die Gewaltspirale

Spirale des Missbrauchs mit vier Phasen.

Die Gewaltspirale tritt in Paarbeziehungen auf. Das heisst, es besteht eine persönliche Bindung zwischen der gewaltausübenden und der von Gewalt betroffenen Person. Es kommt vor, dass das Muster der Gewalt über mehrere Generationen weitergegeben wird, weshalb es für Betroffene sehr schwierig ist, aus der Gewaltspirale ausbrechen zu können. Die Gewaltspirale teilt sich in drei Phasen auf: 

Der Spannungsaufbau ist geprägt von Beleidigungen, Demütigungen, Beschimpfungen, Kontrolle und Einschränkungen. Die gewaltbetroffene Person versucht, Konfliktsituationen zu vermeiden und stellt ihre eigenen Bedürfnisse wie Angst, Trauer und Wut zurück.

Mit dem Gewaltausbruch kommt es zur Gewalteskalation. Dies können Drohungen, Schläge, Anschreien, Ohrfeigen, Einschüchterungen und weitere Verhaltensweisen sein. Gewaltbetroffene Personen reagieren unterschiedlich auf die erlebte Gewalt: sie fliehen, wehren sich oder müssen die Gewalt erdulden. Kurz nach einem Gewaltausbruch sind Personen empfänglich für Ansprache und Hilfe, und holen sich auch selbst aktiv Hilfe.

In der dritten Phase folgen Entschuldigungs- und Entlastungsversuche. Die gewaltausübende Person entschuldigt sich für ihr Verhalten, macht Geschenke, Versprechungen und sucht nach Erklärungen für den Gewaltausbruch, sei dies bei der gewaltbetroffenen Person oder in äusseren Umständen. Es kann zu Versöhnungen kommen. Gewaltbetroffene ziehen ihre Anzeige zurück, entscheiden sich gegen eine Trennung oder treten aus dem Frauenhaus aus und kehren nach Hause zurück.

Danach folgt die Honeymoon-Phase: Die Hoffnung, dass alles gut wird, ist intakt, die Personen sind nicht erreichbar für Hilfsangebote.

Ohne fachliche Hilfe von aussen ist die Gefahr gross, dass die Spannungsphase schnell erneut einsetzt und sich die Gewaltspirale wiederholt. Meist dreht sich die Spirale daraufhin immer schneller. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Gewaltspirale erkannt wird und sowohl die gewaltausübende als auch die gewaltbetroffene Person adäquate Hilfe erhält. So kann diese Dynamik durchbrochen werden.