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Aus der Rechtsprechung des Gerichtsrats zu den Pflichten der Medienschaffenden

Pflichten der akkreditierten Medienschaffenden – Sanktionen bei deren Verletzung

Gemäss § 13 des Medien- und Informationsreglements der Gerichte soll die Berichterstattung in sachlicher Weise erfolgen und auf die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten, insbesondere auf deren Privatsphäre, gebührend Rücksicht nehmen. Bei Nennung von Namen ist grosse Zurückhaltung zu üben, soweit sich die Betroffenen nicht ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben. Auch ist jede Art von Vorverurteilung, unnötiger Blossstellung oder suggestiver Berichterstattung zu unterlassen (Abs. 1).

Vor den Gerichtsverhandlungen ist eine Kontaktnahme mit den Parteien eines Verfahrens durch die Medienschaffenden zu unterlassen, soweit es sich nicht um Behörden handelt. Mit Zeuginnen und Zeugen, Auskunftspersonen und Sachverständigen sind vor dem Erlass eines Urteils keinerlei Kontakte zulässig (Abs. 2).

Akkreditierte Medienschaffende sind für die Einhaltung der Vorschriften dieses Reglements auch dann verantwortlich, wenn an ihrer Stelle nicht akkreditierte Drittpersonen von den Gerichtsbehörden erhaltene Informationen bearbeiten (Abs. 3).

§ 15 des Medien- und Informationsreglements statuiert, dass akkreditierte Medienschaffende, die gegen diese Richtlinien verstossen, durch den Gerichtsrat verwarnt oder für eine gewisse Zeit suspendiert werden können. In schweren Fällen kann die Akkreditierung entzogen werden.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtsrats

Wahrheitsgemässe Berichterstattung

Im Rahmen der Gerichtsberichterstattung bedeutet eine wahrheitsgemässe Berichterstattung, dass wiedergeben wird, was das Gericht entschieden und welche Gründe es dafür genannt hat. Die Medienschaffenden können entsprechend der Medienfreiheit, der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit sowie der Wirtschaftsfreiheit aber auch Kommentare anfügen und dabei Kritik am Gericht, an weiteren Behörden, an den Prozessparteien oder an einem Gutachten üben. Ebenso können und sollen allfällige abweichende Auffassungen dargelegt werden, sei es unter Verweis auf die Äusserungen anderer Beteiligter oder sei es aufgrund eigener Überlegungen des Medienschaffenden. Dabei sind auch pointierte Äusserungen zulässig. Wesentlich ist dabei aber, dass Meinungsäusserungen und Kritik von den Lesenden als solche erkennbar sind. Wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, dass eine wiedergegebene Auffassung jene des Gerichts sei, ist dies keine wahrheitsgemässe Berichterstattung. Auch entspricht ein solches Vorgehen nicht der Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten (Ziff. 3), wonach sie keine von anderen geäusserten Meinungen entstellen, und der Richtlinie dazu (Ziff. 2.3 „Trennung von Fakten und Kommentar“), wonach Journalistinnen und Journalisten darauf achten, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann (GR.2017.1 vom 13. März 2017, E. 2.1 [bestätigt durch AGE VD.2017.84]).

Die Pflicht zur wahrheitsgemässen Berichterstattung ist von den Medienschaffenden zu beachten, auch wenn den davon betroffenen Personen Möglichkeiten zu deren Abwehr zur Verfügung stehen. Die Publikation von Fehlinformationen kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die betroffene Person anschliessend eine Richtigstellung verlangen könne, zumal einer falschen Berichterstattung in aller Regel durch medienrechtliche Mittel wie Leserbrief, Korrektur, Gegendarstellung und Anzeige beim Presserat kaum wirksam begegnet werden kann (GR.2017.2 vom 26. Februar 2018 E. 2.4).

Wird im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung über einen Straffall berichtet, ist nur eine Formulierung zulässig, die hinreichend deutlich macht, dass einstweilen bloss ein Verdacht oder eine Vermutung besteht und eine abweichende Entscheidung des zuständigen Strafgerichts noch offen ist. Bis dahin besteht die Unschuldsvermutung. Es genügt nicht, dass aus dem Artikel hervorgeht, dass die Gerichtsverhandlung noch aussteht (GR.2019.2 vom 24. März 2020 E. 4.2).

Schutz der Privatsphäre der Beteiligten

Die Pflicht zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten, namentlich von Geschädigten, ist verletzt, wenn sich – auch ohne Namensnennung – aus den Informationen der Berichterstattung auch einer durchschnittlich informierten Leserschaft bei entsprechendem Interesse die Identität der Betroffenen ohne weiteres entschlüsselt (GR.2018.1 vom 13. August 2018 E. 2.4.2). Die Offenlegung der Identität des Opfers eines Vermögensdelikts entspricht grundsätzlich keinem öffentlichen Interesse. Es besteht auch aufgrund der Wächterfunktion der Medien keine Notwendigkeit, diesen Bereich der Privatsphäre der Geschädigten offen zu legen (a.a.O., E. 2.4.3).

Nennung des Namens von Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung, die in Strafverfahren ihr Amt vertreten

Das Persönlichkeitsrecht auferlegt den Medien eine gewisse Zurückhaltung bei der Namensnennung in der Gerichtsberichterstattung. Soweit eine anonymisierte Berichterstattung das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit zu befriedigen vermag, bleibt eine Namensnennung unzulässig. Eine identifizierende Persönlichkeitsverletzung bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines triftigen Grundes. Im Bereich des Strafrechts ist die Namensnennung bei der Medienberichterstattung in den meisten Fällen entbehrlich, soweit es nicht um sogenannte Personen der Zeitgeschichte geht. Die Öffentlichkeit kann indessen ein schutzwürdiges Interesse daran haben, die Namen von Verwaltungsangestellten zu erfahren, die in Ausübung eines entsprechenden, amtlichen Spielraums mit selbständiger Entscheidungsbefugnis und Verfügungskompetenz für ein rechtswidriges Verwaltungshandeln verantwortlich sind. Die Namensnennung in der Medienberichterstattung kann jedoch nicht in jedem Fall gerechtfertigt werden, in welchem eine Person als «Obrigkeitsperson mit Amtsgewalt» auftritt. Aus dem obrigkeitlichen Handeln kann erst dann auf ein öffentliches Interesse an einer Berichterstattung mit Namensnennung geschlossen werden, wenn aufgrund der Position des Amtsträgers oder der Amtsträgerin auf einen eigenen, über die reine Vertretung des Amtes hinausgehenden Gestaltungsspielraum geschlossen werden kann (GR.2021.2 vom 27. September 2021 E. 3.2.2 und 3.2.3.2). Auch nach der Praxis des Schweizer Presserats in Anwendung der Richtlinien zur Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten rechtfertigt nur eine leitende staatliche Funktion mit selbständiger Entscheidungsbefugnis eine Namensnennung bei medialer Berichterstattung über deren Tätigkeit (a.a.O., E. 3.2.3.3).

Verjährung/Verwirkung aufsichtsrechtlicher Anzeigen

Das Medienreglement kennt keine Bestimmung über die Verjährung aufsichtsrechtlicher Massnahmen. Die entsprechende Gesetzeslücke ist nach objektiven Kriterien zu füllen, indem das Gericht anstelle des Gesetzgebers eine abstrakte Regel aufstellt. Das Disziplinarrecht dient der Wahrung des öffentlichen Interesses an einer korrekten Gerichtsberichterstattung. Daher ist für die Bestimmung einer allfälligen Verwirkung eines Interesses an der disziplinarischen Ahndung von Pflichtverletzungen durch Medienschaffende nicht auf das Wissen allenfalls verletzter Verfahrensparteien, sondern auf die Kenntnisnahme durch die Aufsichtsbehörde abzustellen (GR.2018.1 vom 13. August 2018 E. 1.3.2).

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