Zu den derzeitigen Demonstrationen in Basel
MedienmitteilungJustiz- und Sicherheitsdepartement
Stellungnahme der Kantonspolizei Basel-Stadt zu den Demonstrationen vom Donnerstag bis zum Sonntagabend in Basel zur Bewilligungspflicht bei Demonstrationen und zu den Möglichkeiten polizeiliches Verhalten zu rügen.
Seit dem Ausbruch des Irak-Krieges fanden in Basel fast täglich Demonstrationen statt. Am Donnerstagmorgen, dem 20. März 2003, gaben tausende, mehrheitlich jugendliche Demonstrantinnen und Demonstranten weitgehend friedlich ihre Meinung zum Kriegsausbruch kund, was zu gravierenden Verkehrsblockaden, insbesondere des öffentlichen Verkehrs, führte. Am selben Abend führten weitere Demonstrationen eines anderen Publikums nicht nur zu Verkehrsblockaden, sondern auch zu einzelnen Sachbeschädigungen. Die Kantonspolizei beschränkte sich vor allem auf die Umleitung des behinderten Verkehrs.
Freitag, 21. März 2003: Am Freitagabend kam es in der Stadt Basel zu einer weiteren Demonstration von einigen hundert Personen, die mit einem Umzug und Sitzblockaden ein weiteres Mal den Verkehr behinderten. Einige Dutzend Personen, darunter etliche Vermummte, drangen dabei ins Restaurant Mc Donald‘s am Marktplatz ein und demolierten Mobiliar und Vitrinen. Zwei Personen konnten von der Polizei als Mittäter identifiziert werden, gegen sie wird ein Strafverfahren eingeleitet.
Samstag, 22. März 2003: Am Samstag wurden während der Anti-Kriegs-Demonstration in Bern und im Internet zu einer Teilnahme an einem sogenannten "Antifa-Abendspaziergang" in Basel aufgerufen. Um ca. 2100 Uhr versammelten sich dann tatsächlich etwas mehr als 200 Personen in der Nähe des Bahnhofs SBB, darunter erneut mehrere Vermummte. Gleichzeitig versammelten sich in der Nähe weitere Personen, die durch ihre Bekleidung ihre Anhängerschaft zum FCB bekundeten. Um eine Konfrontation zwischen diesen Gruppen zu verhindern, entschloss sich die Einsatzleitung der Kantonspolizei zu einer sichtbaren Polizeipräsenz vor Ort. In der Folge warfen vermummte Personen Steine gegen die Polizei und ein Demonstrationszug mit zum grössten Teil vermummten Personen zog durch die Innenstadt in Richtung Barfüsserplatz. Dort wurde erneut mit Steinen und Bierflaschen gegen die uniformierten Kantonspolizistinnen und -polizisten geworfen und es wurden mehrfach Knallkörper und Leuchtraketen im Direktschuss auf die Ordnungskräfte abgefeuert. Es kam dann erneut zu Sachbeschädigungen am Gebäude des Mc Donald‘s-Restaurants.
In der Folge bewegte sich der unbewilligte Demonstrationszug in Richtung Mittlere Brücke und es kam darauf an der Eisengasse zu Beschädigungen an dort parkierten Personenwagen. Beim Überqueren der Brücke wurden die zum grössten Teil vermummten Demonstrantinnen und Demonstranten von der Polizei kontrolliert, was die kontrollierten Personen zu einem Ausbruchversuch und ihre Sympathisanten an beiden Brückenenden zu gewaltsamen Angriffen auf die Polizei veranlasste. In eigentlichen Notwehrsituationen waren die Polizeikräfte dabei genötigt, Gummischrot und Reizgas einzusetzen.
Bei dieser Personenkontrolle wurden auf der Mittleren Rheinbrücke insgesamt 177 Personen kontrolliert, darunter befanden sich 95 Jugendliche. 58 von ihnen wohnen im Kanton Basel-Stadt, 83 im Kanton Basel-Landschaft, 15 im Kanton Solothurn, 9 im Kanton Aargau, 6 im Kanton Zürich, 4 im Kanton Luzern und 2 in Deutschland. Gegen diese Personen wird wegen Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte, Nötigung, fortgesetzte Sachbeschädigung, Missachtung des Vermummungsverbotes und Störung des öffentlichen Verkehrs rapportiert. Wie vor dieser Personenkontrolle angekündigt, wurden alle kontrollierten Personen nach Feststellung ihrer Personalien noch auf der Mittleren Brücke wieder entlassen.
Am gleichen Abend kam es nach 2300 Uhr zu einem Brandanschlag im Café Aroma am Marktplatz. Im Verlaufe dieser Nacht wurden sodann diverse Schaufensterscheiben, vermutlich durch Schleudern von Stahlkugeln, beschädigt.
Kurz nach Mitternacht stellte die Kantonspolizei fest, dass sich vor dem Bahnhof SBB eine Gruppe von 30 Demonstrantinnen und Demonstranten und eine Gruppe von 20 Personen, die sich aufgrund ihrer Bekleidung als FCB-Anhänger zu erkennen gaben, gegenüberstanden, wobei es zu heftigen Wortwechseln und Anrempeleien kam. Einige Personen aus der Gruppe der Demonstrantinnen und Demonstranten entfachten mit Zeitungen und Pet-Flaschen auf dem Zentralbahnplatz kleine Feuer, und zerrten unter dem Beifall ihrer Gleichgesinnten die Beleuchtung von den Bäumen herunter. Als eine weitere Person die Umhüllung eines BVB-Ticketautomaten vor dem Restaurant Le Train bleu in Brand setzte, musste die Kantonspolizei erneut einschreiten. Anwesende zivile Funktionäre der Kantonspolizei konnten den Brandstifter festnehmen, sie sahen sich jedoch unvermittelt den Angriffen Gleichgesinnter ausgesetzt, die versuchten, diese Festnahme zu verhindern. Die sofort herbeigeeilten uniformierten Ordnungskräfte konnten den Brandstifter und drei Personen, die an der Behinderung seiner Festnahme beteiligt waren, festnehmen und abführen. Um weitere Eskalationen zu verhindern, wurden diese Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen und erst am Morgen einzeln entlassen.
Es kam in dieser Nacht dann zu keinen weiteren unbewilligten Demonstrationen oder Sachbeschädigungen.
Sonntagabend, 23. März 2003: Dagegen kam es am Sonntagabend, anlässlich des zweiten Bummelsonntags, beim Barfüsserplatz zu einem tätlichen Angriff durch eine Gruppe von ca. 15 Teilnehmenden einer unbewilligten Demonstration zum Thema "Stop dem imperialistischen Krieg" auf eine Fasnachtsclique, die dort rastete. Dabei wurden drei Fasnächtler leicht verletzt, einer musste sich zum Arzt begeben. Der Kantonspolizei gelang es mit uniformierten Kräften, zwei beteiligte Angreifer festzunehmen, wobei einer von ihnen durch einen Diensthund gebissen und ebenfalls verletzt wurde. Gegen beide Festgenommenen wird von der Polizei Strafanzeige erhoben. Die übrigen Mitglieder dieser unbewilligten Demonstrationszuges flüchteten in die Menschenmenge.
In Basel ist demonstrieren erlaubt
Die Polizei steht bei unbewilligten Demonstrationen vor einer schwierigen Situation und muss jeweils rasch eine heikle Güterabwägung vornehmen. Kurz nach dem Kriegsausbruch kann wohl nicht verlangt werden, dass für die Durchführung einer ordentlichen Demonstration das vorgesehene Bewilligungsverfahren angewendet wird. Die mangelnde Gesprächsbereitschaft von Organisatorinnen und Organisatoren oder gar die Kommunikationsverweigerung erschwert der Polizei die Aufgabe unnötig. Auf der einen Seite stehen die unmögliche Koordination (fehlende Bewilligung) und das Recht der unbeteiligten Bevölkerung, vor Delikten und unverhältnismässigen Störungen geschützt zu werden. Auf der anderen Seite steht der grosse personelle Aufwand, der für die Gewährleistung der Sicherheit während Demonstrationen geleistet werden muss und besonders der Umstand, dass bei gewaltsamen Ausschreitungen wiederum Unbeteiligte durch den Einsatz von Reizgas oder Gummischrot in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Die Kantonspolizei Basel-Stadt auferlegt sich gemäss einer seit Jahren in dieser Stadt bewährten Doktrin einer grosse Zurückhaltung und schreitet in der Regel nur dann gegen unbewilligte Demonstrationen ein, wenn Leib und Leben von Personen in Gefahr ist oder wenn es zu grösseren Sachbeschädigungen kommt.
Dies war bei den Demonstrationen am vergangenen Donnerstag, 20. März, zumeist nicht der Fall, weshalb sich die Kantonspolizei fast ausschliesslich auf die Umleitung des behinderten Verkehrs konzentrierte. Bei den Demonstrationen am letzten Wochenende hingegen kam es zu gravierenden und gefährlichen Angriffen auf Personen und grösseren Sachbeschädigungen, weshalb die Kantonspolizei konsequent eingeschritten ist.
Dass die Kantonspolizei gegenüber unbewilligten Demonstrationen deshalb mitunter nicht einschreitet, ist das Ergebnis einer Güterabwägung und es bedeutet nicht, dass das Verhalten der Demonstranten und Demonstrantinnen erlaubt wäre.
Die Versammlungsfreiheit ist nicht nur in der Bundesverfassung garantiert, sie wird im Kanton Basel-Stadt von der Kantonspolizei aktiv unterstützt. Damit die an Demonstrationen nicht interessierte Bevölkerung jedoch trotzdem in Basel ihrer Arbeit nachgehen, ihre Einkäufe erledigen oder einfach nur spazieren gehen kann, sind Demonstrationen bewilligungspflichtig. Für die Bewilligungserteilung ist die Kantonspolizei zuständig und sie hält sich bereit, den Gesuchstellern fertig vorbereitete Demonstrationsrouten vorzustellen und zu erklären. Mit diesen Routen wird sichergestellt, dass der Verkehr, insbesondere der öffentliche Verkehr, während dieser Kundgebungen nicht über Gebühr behindert wird und gleichzeitig ablaufende Demonstrationen sich nicht in die Quere kommen.
Gesuche zur Durchführung einer Demonstration können an die Verkehrsabteilung, Technischer Dienst, Telefon 061 267 81 71/72, gerichtet oder bei den Bezirkswachen der Sicherheitsabteilung deponiert werden. Die Kantonspolizei braucht normalerweise fünf Arbeitstage für die Bearbeitung eines Gesuches, sie verlangt indessen dafür keine Gebühren. Werden Lautsprecher eingesetzt, so wird für deren Bewilligung Fr. 30.-- verlangt. Ein Gesuch sollte schriftlich erfolgen, in Ausnahmefälle nimmt die Kantonspolizei das Gesuch aber auch bei einem persönlichen Gespräch mündlich entgegen. Auf Verlangen gibt die Sicherheitsabteilung ein Merkblatt für Demonstrationsgesuche ab. Im Jahr 2002 wurden 18 Demonstrationen bewilligt, es fanden zwei Demonstrationen statt, für die kein Gesuch eingereicht wurde. Im laufenden Jahr wurden bisher sechs Demonstrationen bewilligt.
Soweit sich die Zuständigen bei der Kantonspolizei erinnern können, wurde in den letzten Jahren kein einziges Demonstrationsgesuch abgelehnt. Im Einvernehmen mit den Gesuchstellenden konnten jedoch zeitliche oder örtliche Verschiebungen für ihre Demonstrationen vereinbart werden.
Beschwerden gegen polizeiliches Verhalten Die Kantonspolizei strengt sich intensiv an, mit ihren Polizistinnen und Polizisten jeden Tag, rund um die Uhr, die Sicherheit der Basler Bevölkerung zu gewährleisten. Dabei regeln das Polizeigesetz und die Dienstvorschriften das polizeiliche Verhalten. Auch Polizeibeamtinnen und -beamte können aber trotz guter Ausbildung und hoher Belastungsfähigkeit irren oder falsch reagieren. Falls Betroffene nun glauben, einem solchen Irrtum oder Fehlverhalten der Polizei zum Opfer gefallen zu sein, so können sie sich einerseits an den polizeiunabhängigen Beschwerdedienst des Polizei- und Militärdepartementes, Postfach, 4001 Basel wenden. Sie können sich aber auch mit einer Strafanzeige gegen polizeiliches Verhalten zur Wehr setzen. Eine solche Anzeige kann bei der Staatsanwaltschaft, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, oder aber problemlos auch bei der Kantonspolizei selber deponiert werden.
Im Zusammenhang mit den vorerwähnten Demonstrationen gingen bei der Staatsanwaltschaft bis heute Morgen zwei Anzeigen eines Erwachsenen und eines Jugendlichen gegen Polizeibeamte ein, beide die Auseinandersetzungen beim Bahnhof in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag betreffend.
Bei der Kantonspolizei ging bisher eine Beschwerde ein, ein weitere wurde in Aussicht gestellt.
Warnung zu Handen der Teilnehmenden am dritten Bummelsonntag
Nächsten Sonntag, 30. März 2003, findet der dritte und letzte Bummelsonntag dieses Jahres statt. Traditionsgemäss werden sehr viele Leute in Basel auf diese Weise persönlich für ein Jahr Abschied von der Fasnacht nehmen wollen. Demonstrationswillige Personen rufen be-reits heute für den Sonntagabend zu einer Demonstration gegen "die Polizeigewalt" in Basel auf. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass einzelne Demonstrationswillige den dritten Bummelsonntag als Bühne benutzen könnten, um Konfrontationen mit der Polizei zu suchen.
Die Kantonspolizei empfiehlt der Bevölkerung, die sich aktiv oder im Publikum am Sonntagsbummel beteiligen möchte, sich bei Provokationen zurückzuhalten und sofort die Polizei, die vorbereitet ist, zu benachrichtigen.
Dr. Roberto Zalunardo, Polizeikommandant