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Die mit den Demonstrierenden sprechen

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Die zunehmende Anzahl an Demonstrationen und deren Begleiterscheinungen beschäftigen die Basler Bevölkerung. Seit rund zwei Jahren setzt die Kantonspolizei Basel-Stadt auf sogenannte Dialogteams bei Demonstrationen und Kundgebungen. Diese sollen den Dialog mit den Demonstrierenden suchen, ihnen das polizeiliche Vorgehen erklären und eine Eskalation verhindern. Im Interview spricht der Leiter Fw 1 Marco Liechti über den bisher grössten Erfolg seines Dialogteams und erzählt von dem Moment, als er seine Aufgabe wieder in Frage stellte.

Mann mit Brille und Warnweste vor einer Wand.
© Kantonspolizei Basel-Stadt

Text: Adrian Plachesi, Leiter Abteilung Kommunikation

Demonstrationen und Kundgebungen nehmen stetig zu. So fanden im 2022 im Kanton Basel-Stadt insgesamt 287 Demonstrationen, Standkundgebungen oder Mahnwachen statt, gegenüber 275 im Jahr 2021. Die Kantonspolizei Basel- Stadt zeigt sich erfreut, dass vermehrt Bewilligungen eingeholt werden (188 gegenüber 151 im Vorjahr), während die unbewilligten Demonstrationen (ohne eingegangenes Bewilligungsgesuch) von 124 auf 99 abgenommen haben. Als Bewilligungsbehörde ist die Kantonspolizei zuständig für die Bewilligung von Kundgebungen und Demonstrationen. Sie stellt dadurch sicher, dass der öffentliche Raum nicht übermässig beansprucht wird, die vielfältigen Interessen an ihm in Ausgleich gebracht und die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschützt werden. Durch die Bewilligung von Gesuchen ist es der Polizei auch möglich, mit Gesuchstellenden in Kontakt zu treten und mit ihnen nach Lösungen für die Durchführung der Demonstration zu suchen. Die Dialogteams kommen sowohl bei unbewilligten wie auch bei bewilligten Demonstrationen in den Einsatz.

Marco, beginnen wir von vorne.
Seit wann gibt es eigentlich die Dialogteams in Basel?
Angefangen hat das Ganze im Sommer 2019 mit einer Idee von Hauptmann Guido Sommer und dem darauffolgenden Konzept von Fw 1 René Möschli. Im Herbst 2020 bekam ich dann den Auftrag der Polizeileitung, das entsprechende Konzept umzusetzen. Unseren ersten Einsatz hatten wir am 14. Juni 2021, anlässlich der bewilligten Kundgebung zum feministischen Streik in Basel. Früher gab es auch keine Dialogteams. Warum soll die Polizei überhaupt mit Demonstrierenden reden? Die Kantonspolizei Basel-Stadt arbeitet immer nach dem 3DPrinzip: Dialog, Deeskalation, Durchgreifen. Im Übrigen stimmt das gar nicht, dass es früher keine Dialogteams gab. Anlässlich der Euro ’08 hatten wir das erste Mal eine solche Gruppe, damals noch unter dem Namen «Deeskalationsteam ». Diese machte damals genau dasselbe wie die Dialogteams heute: Sie suchten den Kontakt zu den Leuten und haben das Handeln der Polizei erklärt, damit die Menschen ein Verständnis für unsere Massnahmen bekommen. Das ist der Sinn dieser Teams. Wir stehen zwischen den Demonstrierenden und der Einsatzleitung, beantworten Fragen und suchen den Dialog aktiv. Dazu sind wir sind im Übrigen auch anders ausgerüstet, wir tragen keine komplette Schutzausrüstung, sondern sind in Zivilkleidung und Leuchtweste mit der Aufschrift DIALOGTEAM unterwegs.

Die Polizei möchte ja nicht erst an der Demo in den Dialog treten, sondern bereits vorher durch das Bewilligungsverfahren. So kann sie bereits im Vorfeld Absprachen mit den Bewilligungsnehmern treffen oder Auflagen machen. Braucht es euch also nur bei unbewilligten Demonstrationen?
Nein. Die Arbeit des Chefs des Dialogteams fängt bereits im Bewilligungsverfahren an. Wenn man sich das erste Mal trifft mit den Personen, die ein Bewilligungsgesuch eingeben, sitzt der Chef des Dialogteams im Idealfall bereits mit am Tisch. So lernt man die Leute schon kennen, mit denen man dann an der Demonstration zusammenarbeitet. 

Bei bewilligten Demonstrationen ist der Dialog also einfacher zu bewerkstelligen. Wie geht ihr bei unbewilligten Demos vor, bei denen ihr gar keinen Ansprechpartner habt? 
Wenn wir bei der Analyse im Vorfeld feststellen, dass es keine Aufrufe zu Gewalt und Sachbeschädigungen etc. gibt, dann besteht eine Chance auf Dialog – und dann kommen wir auch bei einer unbewilligten Demo in den Einsatz. Falls wir im Vornherein merken, dass niemand mit der Polizei reden will und das auch klar signalisiert, dann ist es eher schwierig, sodass seitens der Einsatzleitung auch schon mal gegen den Einsatz des Dialogteams entschieden wird. 

Wen sprichst du bei einer unbewilligten Demo ohne Ansprechpartner eigentlich an? Die Person, die halt gerade ins Megafon spricht?
Wir hatten gerade eine solche Demo, die startete im De-Wette-Park. Wir haben dann über unsere extrem starken mobilen Lautsprecher Durchsagen gemacht und die Leute gefragt, ob sie mit uns reden wollen. Es erfolgten drei Gesprächsangebote über Lautsprecher, wir sind dreimal ins Leere gelaufen und ausgepfiffen worden. Das war an der vermeintlichen Klima-Demo vom 11. Februar 2023. Die Folgen sind bekannt: Randale, Sachbeschädigungen, verletzte Polizisten. Das war sehr ernüchternd. Und wie ging es weiter? Habt ihr den Einsatz abgebrochen? Nein. Wir konnten den Demozug aufgrund des hohen Gewaltpotenzials nicht wie üblich direkt begleiten, sondern wir sind hinterhergelaufen. Wir konnten dann beim Bankenplatz den hinteren, gemässigten Teil der Demonstrierenden ansprechen. Wir erklärten die Polizeisperre am Steinenberg, zeigten eine alternative Route auf und trennten so zumindest den friedlichen vom gewaltbereiten Teil. Um das geht es ja eigentlich: Bei den Gewaltbereiten hast du praktisch keine Chance, aber der gemässigten und friedlichen Menschenmenge kann man erklären, wieso die Polizei jetzt beispielsweise Gummischrot einsetzen muss. Wenn sich die Menschenmenge dann nicht mit dem gewaltbereiten Teilsolidarisiert, dann ist unsere Aufgabe erfüllt.

Verleidet es dir manchmal nicht, wenn du merkst, dass gewisse Leute die Polizei verachten und gar nicht mit dir sprechen wollen?
Es gab schon Situationen, die mein Weltbild trotz meiner sehr guten Ausbildung und Einsatzerfahrung ein wenig erschüttert haben. Einmal waren wir an einer bewilligten Demo im Einsatz, als plötzlich auf der Höhe Totentanz eine kleine Gruppe junger Menschen ausscherte, da es offensichtlich einer jungen Frau schlecht wurde und sie bei einem Baum erbrechen musste. Ich wollte hingehen und fragen, ob die Frau Hilfe oder die Sanität braucht. Kaum war ich in der Nähe, wurde in meine Richtung gespuckt, «Verp*** dich, du alte Sau!», Stinkefinger, weiss Gott was. Das hat mich kurz durchgerüttelt, da ich dies bei einer Hilfeleistung nicht in diesem Rahmen kenne, geschweige erwartet habe. Es gab trotzdem einen schönen Abschluss: Kurz darauf kam weiter vorne ein Demonstrant aus der Menge auf mich zu und sagte: «Sie waren doch der, der vorhin helfen wollte? Danke, dass Sie es trotzdem versucht haben. Ich akzeptiere das Verhalten dieser Demonstrantinnen überhaupt nicht.»

Was war euer grösster Erfolg als Dialogteam?
Ich glaube, der Einsatz am feministischen Streik 2022. Unsere Ordnungsdienst-Einsatzkräfte standen in Vollmontur direkt vor der Fassade der UBS am Bankenplatz, was die Demonstrierenden überhaupt nicht goutierten. Wir vom Dialogteam mussten extrem viel beruhigen, reden und die Situation erklären, es war sehr anstrengend. Aber am Schluss ging das Ganze verhältnismässig ruhig und mit nur wenig Sachbeschädigungen über die Bühne. Dass eine komplette Eskalation ausblieb, verdanken wir der Besonnenheit auf beiden Seiten, und das Dialogteam konnte sicher einen entscheidenden Teil zur Deeskalation beitragen. 

Ein Thema ist immer wieder die Belastung der Polizistinnen und Polizisten durch die zunehmende Anzahl der Demonstrationen. Wie erlebst du das?
Ich erlebe die Belastung als sehr gross, man darf ja auch die Einsätze bei den FCB- Spielen nicht vergessen. So wie das jetzt getaktet ist mit diesen vielen Einsätzen – das spüre ich und ich spüre es bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Diese ganzen zusätzlichen Einsätze gehen ja in der Regel an der eigenen Freizeit weg. Als junger Polizist findet man das am Anfang vielleicht noch spannend. Aber später hat man dann Familie, Kinder, eine Partnerin, die am Wochenende oder an freien Tagen schon wieder auf dich verzichten müssen. Das nagt an einem.