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Needle Spiking in Basel: Mehr Berichte als Beweise

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Needle Spiking hat vor allem durch die mediale Berichterstattung an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei handelt es sich eher um ein Phänomen als eine Tatsache, denn die Zahl der gemeldeten Vorfälle im Vergleich zur Berichterstattung ist verschwindend klein. Bis heute konnte in Basel noch kein konkreter Fall nachgewiesen werden.

Hand hält Spritze vor rosa Hintergrund.",
© Kantonspolizei Basel-Stadt

Text: Brigitte Vogel, Leiterin Unternehmenskommunikation Kantonspolizei Basel-Stadt

Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) kann in niedrigen Dosierungen entspannende oder enthemmende Wirkungen entfalten und wird daher häufig als Partydroge konsumiert. In Fällen, in denen GHB verwendet wird, um eine andere Person bewusstlos zu machen, spricht man von sogenannten «K.o.-Tropfen». In den sozialen Medien kursieren zahllose Geschichten, wonach GHB unbemerkt in Getränken verabreicht wurde. Wird GHB ohne das Wissen des Opfers mittels einer Spritze injiziert, wird dies als «Needle Spiking» bezeichnet. Während die Verabreichung von K.o.-Tropfen in Getränken erwiesenermassen vorkommt – um Folgedelikte zu begehen –, handelt es sich beim Needle Spiking um ein Phänomen, das bis anhin jeglicher Beweise entbehrt.

Nach der Silvesternacht hat das ein bekanntes Lokal in Basel via seine Website darüber informiert, dass einzelnen Partygästen K.o.-Tropfen verabreicht wurden. In der Folge erschienen etliche Berichte in Tageszeitungen und den sozialen Medien. Eine Woche später ging bei der Kantonspolizei der Fall eines möglichen Needle Spiking ein. 

Was versteht man unter Needle Spiking?

Needle Spiking – auch als Injection Spiking bekannt, auf Deutsch «Nadelstechen» –  bezeichnet ein Phänomen, über das seit September 2021 vor allem aus Grossbritannien, Nordirland und Irland berichtet wird. Dabei wird Betroffenen unbemerkt mithilfe einer Nadel eine Substanz wie beispielsweise Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) injiziert – häufig an stark frequentierten Orten wie Tanzflächen in Clubs oder bei Konzerten.

Der wissenschaftliche Nachweis für dieses Phänomen ist umstritten, da bisher weder konkrete Belege noch umfassende Studien vorliegen. Die vorhandenen Berichte stützen sich grösstenteils auf Aussagen der Betroffenen und auf Bildmaterial von mutmasslichen Vorfällen. Auch das Motiv hinter diesen Injektionen bleibt unklar. Laut einem Bericht des britischen Home Affairs Committee führte lediglich ein einziger von 692 erfassten Fällen zu einer Folgehandlung.

Trotz der ungesicherten Faktenlage tauchen regelmässig Berichte über mutmassliche Vorfälle auf – vor allem in den sozialen Medien und bei Berichterstattungen über Veranstaltungen wie Clubbesuche, Konzerte oder Festivals.

Quelle: Wikipedia

Bereits im August 2022 war Needle Spiking ein mediales Thema. Damals beklagten mehrere Teilnehmende der Street Parade Zürich, dass sie von einer Nadel gestochen wurden. Basler Medien recherchierten, ob der Kantonspolizei Basel-Stadt ebenfalls Vorfälle vorliegen. Negativ. Jetzt, nach der letzten Silvesternacht, poppte das Thema erneut auf. Nachdem das Basler Lokal in den sozialen Medien vermeldet hatte, dass diversen Gästen K.o.-Tropfen verabreicht worden seien, gingen auch bei der Medienstelle der Kantonspolizei einige Anfragen ein. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall im Hirscheneck verwies ein Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft auf «weniger als eine Handvoll mutmasslicher Fälle» in den vergangenen Jahren.

Eine Gemeinsamkeit der wenigen Fälle ist, dass Opfer Symptome schildern wie unerklärliche Nadelstiche und damit einhergehendes Unwohlsein, jedoch bislang keine Täterschaft identifiziert oder die Substanzen nachgewiesen werden konnten. Und Fachpersonen halten fest, dass eine Injektion im Winter mit einer extrem dünnen Nadel durch mehrere Kleidungsschichten hindurch äusserst schwierig sei. Selbst ohne das Hindernis Kleidung würde es mehrere Sekunden dauern, um die Substanz erfolgreich zu spritzen. Ausserdem wäre es unwahrscheinlich, dass die Verabreichung des Lösungsmittels unbemerkt bliebe, zumal das Opfer während des Stichs vollkommen stillstehen müsste. Ein inmitten einer Menschenmenge wenig realistisches Szenario. 

Wann muss die Kriminalpolizei involviert werden?

Und dennoch: Die Berichterstattungen über Needle Spiking reissen nicht ab und tragen viel zur Verbreitung einer diffusen Angst bei. Auch wenn sich nach Auskunft von Martin R. Schütz, dem Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, bislang noch kein solcher Sachverhalt erhärten liess, fügt er hinzu: «Unsere Ermittlerinnen und Ermittler sind für dieses Phänomen sensibilisiert.» Wendet sich also jemand mit Symptomen und mit der Vermutung, gestochen worden zu sein, an die Polizei, ist es wichtig, dass die Betreuung der Betroffenen rasch sichergestellt und die medizinische Versorgung gewährleistet wird. Das medizinische Personal, insbesondere in den Notfallstationen, kann auf Wunsch der Patientin oder des Patienten jederzeit Blut abnehmen und für ein allfällig nachfolgendes Strafverfahren an das Institut für Rechtsmedizin einsenden. Je nach Situation ist es angebracht, das Opfer ins Unispital zu begleiten. Nach der medizinischen Erstversorgung kann sich das Opfer zwecks Anzeige wegen Körperverletzung und allfälliger Folgedelikte an die Polizei wenden. Hier ist gut zu wissen, dass sich GHB nur bis maximal zwölf Stunden nach Verabreichung nachweisen lässt. In Basel wäre dieses Ergebnis durch Needle Spiking ein Novum.

Im Fall, dass bei einer Anzeige keine Beeinträchtigung ersichtlich ist oder das vermutete Needle Spiking schon eine gewisse Zeit zurückliegt, erfolgt eine entsprechende Information an die Kriminalpolizei. Sie entscheidet dann, ob und wie der Fall weiterverfolgt wird oder ob die geschädigte Person einen Strafantrag stellen muss.

Tests geben falsche Sicherheit

Für eine Schwerpunktaktion im Sommer 2021 wurden versuchsweise Armbänder beschafft und verteilt, mit denen GHB nachgewiesen werden konnte. Ein paar Tropfen auf den Testbereich des Armbands geträufelt und in zwei Minuten hatte man vermeintlich Klarheit. Diese Aktion wurde zwar 2022 wiederholt, doch in den letzten beiden Sommer-Schwerpunktaktionen verzichtete die Kantonspolizei bewusst auf eine Abgabe. Der Grund war, dass sich das Produkt als wenig zuverlässig erwiesen hatte. Ein positiver Test bestätigt nämlich nur das Vorhandensein von GHB, weist aber nicht viele andere mögliche Substanzen nach wie Designer-Benzos, die ebenfalls auf dem Markt sind und ähnliche Wirkung zeigen. Zudem sind die Testbedingungen in Clubs nicht ideal – schummriges Licht, wenig Platz etc. sind keine guten Voraussetzungen für eine Durchführung. Das Resultat täuscht eine scheinbare Sicherheit vor und die Gefahr von falsch negativen Ergebnissen ist hoch. Kurz: Die Polizei rät von solchen Tests ab.