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Wann Hüllen fallen (sollen)

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2021 wurde die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» angenommen. Art. 10a der Bundesverfassung wurde im neuen Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts umgesetzt. Neu ist es in der ganzen Schweiz unter Androhung von Busse generell verboten, sich so zu verhüllen, dass die eigenen Gesichtszüge nicht erkennbar sind.

Illustration verschiedener Kopfbedeckungen und Masken mit Erlaubt- und Verbotenzeichen in Deutschland.
© Kantonspolizei Basel-Stadt

Ja zum Verhüllungsverbot – ein historischer Entscheid

Erinnern Sie sich? Am 7. März 2021 sagte die Schweiz mit einem Stimmenanteil von 51.2 % «Ja zum Verhüllungsverbot». Seither ist es in der Bundesverfassung (BV) verankert. Umgangssprachlich war auch häufig vom «Burka-Verbot» die Rede. Wir lasen von anderen Ländern und Sitten sowie verschiedenen Religionen. Der Schreibende lernte damals einiges, worüber er vorher nicht wirklich viel Bescheid wusste: So gibt es verschiedene mögliche Kleidungsstücke – vom Kopftuch bis zum Ganzkörperschleier. Sie heissen z.B. Hidschab, Chimar, Tschador, Nikab oder eben Burka. Der Zufall wollte es, dass wir uns damals inmitten der Corona-Pandemie befanden. Eine Zeit also, wo wir uns ohnehin häufig das Gesicht mit Hygienemasken teilweise «verhüllen» mussten. 

In Erinnerung bleiben nicht nur die Abstimmungsplakate, auf denen einerseits mit einem Bild der Justitia vor einem Angriff auf die Grundrechte und andererseits mit grossen Augen in Gesichtsschlitzen vor Extremismus gewarnt wurde. Und wir denken an all die Gespräche, wie man Frauen vor Verschleierung schützen solle oder müsse. Im Vordergrund steht der Schutz des Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft, wo es anerkannte Selbstverständlichkeit ist, sein Gesicht stets seinem Gegenüber zu zeigen.

 Wo gilt das Verbot (nicht)?

Art. 10a BV verpflichtete dazu, die detailliertere Gesetzgebung zu erarbeiten, was mit dem neuen Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts (BVVG) erfolgt ist. Die Nichtjuristen mögen schmunzeln, wenn sie hören, dass dieses BVVG nur fünf Artikel hat. Seit diesem Jahr ist es nun verboten, sich so zu verhüllen, dass die eigenen Gesichtszüge nicht mehr erkennbar sind. 

Keine Anwendung findet das Verbot in privaten Räumen, wenn diese nicht der Allgemeinheit offenstehen. Dazu zählen auch private Fahrzeuge. Auch in Flugzeugen, Sakralstätten und diplomatischen Räumlichkeiten gilt das Verbot nicht. Keine Angst, auch für die Fasnacht als «Pflege des einheimischen Brauchtums» gilt selbstverständlich eine gesetzliche Ausnahme. Ebenso darf und soll für die «Gewährleistung der persönlichen Sicherheit» beispielsweise ein Integralhelm beim Motorradfahren, ein Gesichtsschutz beim Sport oder eine OD-Ausrüstung beim Polizeieinsatz getragen werden.

Auswirkungen auf den Polizeialltag und gesetzliche Ausnahmen

Mit der Einführung des Gesichtsverhüllungsverbots hat sich die Kantonspolizei intensiv mit dessen Auswirkungen auseinandergesetzt. Dabei wurde schnell klar, dass es nicht nur um Nikab oder Burka geht. Vielmehr rückten verschiedene Ereignisse wie Grossdemonstrationen oder gut besuchte Fussballspiele in den Fokus. Zudem müssen die gesamten Ausnahmen beachtet werden: Erlaubt sind nämlich auch Gesichtsverhüllungen für künstlerische und unterhaltende Darbietungen (z.B. im Theater) oder zu Werbezwecken (z.B. Verteilen von Werbemustern verkleidet als «Milka-Kuh»); ebenso zum «Schutz und Wiederherstellung der eigenen Gesundheit oder Gesundheit von Dritten» (also beispielsweise wieder die Hygienemaske) oder zum Schutz vor klimatischen Bedingungen wie beispielsweise einen Schal über die Nase oder Sonnenhut und Sonnenbrille.

Sodann können Gesichtsverhüllungen bei Demonstrationen bewilligt werden. Als Bewilligungsbehörde muss die Kantonspolizei beachten, dass Demonstrierende unterschiedliche Mittel wählen können, um auf ein bestimmtes Anliegen aufmerksam zu machen. Folgende Ideen und Beispiele können den Gesetzesmaterialien entnommen werden: Demonstration mit Gasmasken für saubere Luft, mit Kuhmasken für eine naturnahe Tierhaltung oder mit personalisierten Masken gegen bekannte Politikerinnen und Politiker. Das sind bildliche Ausdrucksformen der verfassungsmässig geschützten Meinungsäusserungsfreiheit.

Erst die nächste Zeit wird zeigen, wie sich die neuen Regelungen auf den Polizeialltag und die Bewilligungspraxis auswirken. Diese Prognose sei erlaubt: Unterschiedliche Kleidervorschriften werden uns weniger beschäftigen als Vermummungen beispielsweise an Kundgebungen. Es ist in unserer Gesellschaft selbstverständlich, mit offenem Gesicht aufzutreten. Ebenso klar ist aber auch: Wer die Rechtsordnung missachtet oder entsprechende Vorbereitungen trifft, der kann sich nicht auf Ausnahmen berufen. Nie Schutz findet also, wer durch Gesichtsverhüllungen im Schutz der Anonymität Rechtsverletzungen begehen will oder begeht. 

Text: lic. iur. Thomas Locher, Jurist Abteilung Recht Kantonspolizei Basel-Stadt