Kunst im öffentlichen Raum im Garten Zur Sandgrube
MedienmitteilungPräsidialdepartement
Im Garten des Europainstituts der Universität Basel wird morgen Mittwoch, 3. Mai, um 17.30 Uhr, das Werk «living things» von Leonardo Bürgi Tenorio eingeweiht. Die skulpturale Installation entstand im Rahmen eines Wettbewerbs für Kunst im öffentlichen Raum, den der Kunstkredit Basel-Stadt in Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei Basel-Stadt 2021 ausschrieb.
Das barocke Sommerpalais Sandgrube an der Riehenstrasse 154 beheimatet seit 2019 das Europainstitut der Universität Basel. Wer das Gelände durch die hohen schmiedeeisernen Tore betritt, entdeckt hinter der Villa eine bemerkenswerte Gartenanlage. Diese wurde 2021 von der Stadtgärtnerei saniert und mit neuen Zugängen zum Quartier hin geöffnet. Die Anlage vereint die beiden grundlegenden Ausprägungen europäischer Gartenarchitektur und damit Gegensätzliches: In der Achse der Villa erstreckt sich eine streng symmetrische Gartenanlage nach französischem Vorbild. Seitlich wird sie gerahmt von Partien im «naturnahen» englischen Stil.
Kreaturhafte Erdskulpturen
Im «englischen» Teil der Gartenanlage haben sich zwei fremdartige Wesen niedergelassen: Grösser als ein erwachsener Mensch, von amorpher Gestalt zwischen tierähnlich und pflanzenartig, wachsen die kreaturhaften Erdskulpturen scheinbar aus dem Boden. Und tatsächlich sind Leonardo Bürgi Tenorios «living things» mit dem Erdreich verbunden. Buchenstämme hat der Basler Künstler mit der Motorsäge bearbeitet und mit Pilzkulturen geimpft und danach mit einem Erdmantel aus einer dunklen Lehmmischung umhüllt. Das Holz bildet die tragende Struktur der Skulptur und ist zugleich auch Nahrung für den holzzersetzenden Pilz. Während sich das Pilzmyzel von innen her im Holz ausbreitet, wird die Erdkruste von aussen durch Moos und Kleinpflanzen besiedelt. Im Lauf der Zeit wird der Erdmantel unter dem Einfluss des Wetters auswaschen. Dies gibt die Holzstruktur preis, aus der Pilze spriessen. Die Pilzgattung Seitlinge, mit der der Künstler die Holzgebilde beimpfte, ist dabei im Vorteil gegenüber anderen Pilzarten, die bereits in der Nähe heimisch sind. Die Skulpturen sind allerdings so im Boden verankert, dass sich in ihrem Inneren ein Mikroökosystem bildet, welches mit der Umgebung in Verbindung tritt. Das bietet den benachbarten Porlingen und Tintlingen die Möglichkeit, sich ebenfalls an den Skulpturen zu beteiligen.
Die Myzelien, die Wettereinflüsse und allerlei Kleinstlebewesen führen in einem langsamen Verwitterungsprozess dazu, dass sich die Skulpturen nach etwa fünf Jahren sichtbar zersetzen und bis in rund acht Jahren nicht mehr von der natürlichen Umgebung unterscheiden lassen. Leonardo Bürgi Tenorios «living things» werden so «zu einer Mischform aus Skulptur, Besiedlungsort, Anbaufläche und Landschaft», wie er selbst formuliert.
Natürliche Prozesse
Leonardo Bürgi Tenorio setzt sich schon länger intensiv mit natürlichen Wachstums- und Zerfallsprozessen und insbesondere mit der Rolle des Pilzmyzels auseinander. In seiner Arbeit greift er Themen auf, die in einem zeitgenössischen ökologischen Diskurs verhandelt werden: die Verbindung von Mensch und Natur, die Frage nach Grenzen und Berührungsflächen von menschlichen und anderen Lebewesen, die gegenseitige Abhängigkeit von allem Lebendigen auf diesem Planeten. Das Myzel ist zur Metapher geworden. Leonardo Bürgi Tenorio bringt mit seinen «living things» den philosophischen und den physischen Gehalt des Themas zur Deckung: Mit seinen Skulpturen schafft er einen Lebensraum für Pilze und überlässt ihnen die Vollendung seines Werks.
Kritik an Kontrolle der Natur
Die Vollendung führt letztlich zur Zersetzung der Skulpturen. Damit widerspricht Bürgi Tenorios skulpturale Installation einem traditionellen Kunstverständnis, das Denkmäler mit Anspruch auf Ewigkeit hervorbrachte. Sein Werk ist eine implizite Kritik an einem menschlichen Selbstverständnis, das natürliche Prozesse zu kontrollieren und zu überwinden sucht. Der regelmässig von jeglichem «Unkraut» befreite, kurz getrimmte Rasen des barocken Gartens nebenan ist ein sprechendes Beispiel für eine gestalterische Auffassung, die auf Kontrolle basiert. Der Künstler hingegen versteht seine Arbeit als eine Form von Beziehungspflege mit der biologischen Umgebung. Unter diesem Blickwinkel steht Beständigkeit im Widerspruch zu natürlichen Veränderungen.
Leonardo Bürgi Tenorio sieht «living things» als Einladung an Besucherinnen und Besucher, sich der Betrachtung seiner Skulpturen in verschiedenen Stadien zu widmen. Das Angebot richtet sich nicht nur an Pilzliebhaberinnen und -liebhaber, sondern an alle Anwohnerinnen und Anwohner sowie Spazierende, sich Zeit zu nehmen für eine kontemplative Wahrnehmung der langsamen Prozesse der Natur.
Leonardo Bürgi Tenorio (*1994) studierte am Institute Art Gender Nature (IAGN) an der HGK Basel und schloss 2023 mit dem Master of Arts FHNW in Fine Arts ab. www.leonardobuergi.com
Hinweise
17.30 Uhr: Zur Einweihung sprechen Simon Koenig, Leiter Kunstkredit, Emanuel Trueb, Leiter Stadtgärtnerei, und der Künstler Leonardo Bürgi Tenorio, anschliessend Apéro.
Bildmaterial