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Das Jugendstrafverfahren

Das Jugendstrafrecht unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt vom Erwachsenenstrafrecht: Es orientiert sich an der Person und nicht an der Tat. Der Schutz und die Erziehung der oder des straffälligen Jugendlichen bilden die Leitplanken in der Anwendung des Jugendstrafrechtes.

Zur Anwendung kommt das Jugendstrafrecht, wenn Jugendliche zwischen dem zehnten und dem achtzehnten Lebensjahr eine Straftat begehen. Das Verfahren richtet sich dann nach den Vorgaben der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (JStPO) – einem Spezialgesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Wo die JStPO keine Regel enthält, gilt auch im Jugendstrafverfahren die StPO (vgl. Themenseite «Das Strafverfahren»).

Jugendliche befinden sich noch mitten in ihrer Entwicklung und haben noch keine gefestigten Verhaltensweisen oder Wertvorstellungen. Dies spiegelt sich in den Grundsätzen des Jugendstrafprozessrechts, in der Beurteilung der Straftaten und den Sanktionen. Diese beinhalten verstärkt pädagogische Massnahmen. Für die Anwendung der JStPO sind «der Schutz und die Erziehung der Jugendlichen wegleitend. Alter und Entwicklungsstand sind angemessen zu berücksichtigen» (Art. 4 JStPO). Die Täterin oder der Täter soll nicht mehr straffällig werden.

Da Jugendliche besonders schutzwürdig sind, findet das Strafverfahren grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt (Art. 14 JStPO). Für die Strafverfolgung ist die Behörde jenes Ortes zuständig, an dem die oder der beschuldigte Jugendliche bei Eröffnung des Verfahrens wohnt (Art. 10 Abs. 1 JStPO) – also nicht wie im Erwachsenenstrafprozessrecht die Behörde am Tatort.

Die JStPO und die StPO regeln unter anderem detailliert die einzelnen Verfahrensschritte und -handlungen sowie die Befugnisse und Zwangsmittel der Strafbehörden (Strafverfolgungsbehörden und Gerichte). Polizei, Untersuchungsbehörde und Jugendanwaltschaft bilden die Strafverfolgungsbehörden (Art. 6 JStPO); gerichtliche Befugnis im Strafverfahren haben das Zwangsmassnahmengericht, das Jugendgericht, die Beschwerdeinstanz in Jugendstrafsachen und die Berufungsinstanz in Jugendstrafsachen (Art. 7 JStPO).

Verfahrensbeteiligte

Die StPO nennt die Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten. Dazu zählen die Parteien (Art. 18 JStPO) und die anderen Verfahrensbeteiligten (Art. 105 StPO).

Parteien sind die oder der beschuldigte Jugendliche, die gesetzliche Vertretung der oder des beschuldigten Jugendlichen, die Privatklägerschaft und – im Haupt- und im Rechtsmittelverfahren – die Jugendanwaltschaft. Die Parteien können ihre Interessen mit den im Gesetz aufgeführten Verfahrensrechten wahren.

Andere Verfahrensbeteiligte sind die geschädigte Person, die Anzeige erstattende Person, die Zeugin oder der Zeuge, die Auskunftsperson, die oder der Sachverständige sowie die oder der durch Verfahrenshandlungen beschwerte Dritte.

Strafuntersuchung

Für die Strafuntersuchung ist die Jugendanwaltschaft zuständig. Sie fällt auch einzelrichterliche Entscheide und vollzieht die Strafen und Massnahmen. In der Regel erfährt die Jugendanwaltschaft durch eine Anzeige, dass eine oder ein Jugendlicher im Alter zwischen zehn und achtzehn Jahren mutmasslich eine Straftat begangen hat. In Basel-Stadt ermitteln dann die speziell ausgebildeten Kriminalistinnen und Kriminalisten der Jugendanwaltschaft, was genau passiert ist.

Es folgt eine vertiefte Abklärung des Sachverhalts. Wenn nötig, werden weitere Einvernahmen durchgeführt. Die verfahrensleitende Jugendanwältin oder der verfahrensleitende Jugendanwalt kann auch die vom Gesetz vorgesehenen Zwangsmassnahmen veranlassen – zum Beispiel die Beschlagnahmung von Gegenständen, Hausdurchsuchungen oder Festnahmen. Die Jugendanwaltschaft klärt bei jugendlichen Tatverdächtigen nicht allein den Sachverhalt ab, sondern auch die persönlichen Verhältnisse der oder des Jugendlichen. Dies machen die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Jugendanwaltschaft, die zum interdisziplinären Team der Jugendanwaltschaft gehören. In manchen Fällen veranlasst die Jugendanwaltschaft auch externe Gutachten durch psychologische oder medizinische Fachpersonen.

Zu diesen Abklärungen, zu denen auch Gespräche mit Eltern und anderen Bezugspersonen gehören, zählt die Frage, ob die oder der Jugendliche eine erzieherische und/oder therapeutische Massnahme braucht.

Rückfallprävention

Das Jugendstrafverfahren soll sich positiv auf die Entwicklung einer oder eines straffälligen Jugendlichen auswirken. Aufgrund dieses gesetzlichen Auftrages ordnet die Jugendanwaltschaft jene Massnahme oder Strafe an, die der weiteren Entwicklung am besten dient. Dieser erzieherische Aspekt verlangt danach, dass Strafuntersuchungen im Jugendbereich besonders zeitnah nach der Tat, möglichst rasch und – im Fall von Bagatelldelikten - unkompliziert zu führen sind. 

Abschluss des Jugendstrafverfahrens

Die Jugendanwaltschaft kann eine Strafuntersuchung mit einem Strafbefehl (Art. 32 JStPO) abschliessen, wenn sich eine beschuldigte Person strafbar gemacht hat und die Sanktion in die Entscheidungskompetenz der Behörde fällt.

Alle Straftaten, für die eine Unterbringung, eine Busse von mehr als tausend Franken oder ein Freiheitsentzug von mehr als drei Monaten in Frage kommt, muss erstinstanzlich das Jugendgericht beurteilen. In solchen Fällen erhebt die Jugendanwaltschaft Anklage (Art. 33 ff. JStPO). 

Erhärtet sich ein Tatverdacht nicht oder kann einer beschuldigten Person keine Straftat nachgewiesen werden, erlässt die Jugendanwaltschaft eine Einstellungsverfügung.

Ist ein Urteil rechtskräftig, ist die Jugendanwaltschaft für den Vollzug der Massnahme und/oder der Strafe zuständig (Art. 42 JStPO).

Sanktionen und Schutzmassnahmen

Das Jugendstrafgesetz (JStG) regelt die Sanktionen, welche gegenüber Personen zur Anwendung kommen, die vor Vollendung des 18. Altersjahres eine nach dem Strafgesetzbuch (StGB) oder einem anderen Bundesgesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen haben.

Das Jugendstrafrecht sieht folgende Strafen vor:

  • Verweis, der auch eine mit Weisungen verbundene Probezeit enthalten kann (Art. 22 JStG);
  • persönliche Leistung, beispielsweise die Teilnahme an Kursen (Art. 23 JStG);
  • ab einem Alter von 15 Jahren Busse bis höchstens 2000 Franken (Art. 24 JStG);
  • Freiheitsentzug, der je nach Alter und unter bestimmten Voraussetzungen bis zu vier Jahren betragen kann (Art. 25 JStG).

Das Jugendstrafrecht sieht vier Schutzmassnahmen vor, wenn Jugendliche eine erzieherische oder therapeutische Behandlung brauchen. Dabei geht es vor allem darum, sie von einer erneuten Straffälligkeit abzuhalten. Es gibt ambulante und stationäre Schutzmassnahmen. Bei den ambulanten Schutzmassnahmen bleiben die Jugendlichen in der Regel mit bestimmten Auflagen in ihrem gewohnten Lebensumfeld; bei stationären Massnahmen platziert die Jugendanwaltschaft sie in einer geeigneten Institution.

Ambulante Schutzmassnahmen sind Aufsicht (Art. 12 JStG), persönliche Betreuung (Art. 13. JStG) und ambulante Behandlung (Art. 14 JStG). Lässt sich die notwendige Erziehung oder Behandlung einer oder eines Jugendlichen nicht ambulant sicherstellen, kommt eine stationäre Unterbringung (Art. 15 JStG) in Frage. Dafür geeignete Einrichtungen können Jugendheime oder -wohngruppen, Therapieheime, geschlossene Durchgangsheime oder Familienplatzierungen sein.

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