Wirtschafts- und Abgabekommission einigt sich auf erweitertes Standortpaket für Innovation, Gesellschaft und Umwelt
MedienmitteilungGrosser Rat
Die Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK) des Grossen Rats von Basel-Stadt legt nach intensiver Beratung einen mehrheitsfähigen Vorschlag für die Ausgestaltung des Basler Standortpakets vor. Dabei übernimmt sie die Grundsätze der Regierung zur Bildung von Fonds und berücksichtigt wichtige Anliegen von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt.
Hintergrund
Die Schweiz und über 140 weitere Staaten haben sich im Oktober 2021 dazu bekannt, dass grosse, international tätige Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von 750 Millionen Euro und mehr mindestens 15% Steuern auf ihren Gewinn bezahlen sollen. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat am 18. Juni 2023 mit 78.5% die Verfassungsänderung angenommen, welche die rechtliche Grundlage für die Umsetzung der Mindeststeuer schafft. Der Bundesrat hat die Mindestbesteuerung bereits per 1. Januar 2024 mittels einer nationalen Ergänzungssteuer umgesetzt.
Für in Basel-Stadt ansässige internationale Grossunternehmen bedeutet die Einführung der nationalen Ergänzungssteuer, dass sie deutlich höhere Steuern bezahlen müssen. Bisher werden Unternehmen in Basel mit rund 13% besteuert. Aufgrund der Patentbox kann die Steuerbelastung auf rund 11% reduziert werden. Durch die Mindestbesteuerung von 15% verschlechtert sich für die betroffenen Unternehmen ein wichtiger Standortvorteil des Kantons Basel-Stadt. Die Mindestbesteuerung betrifft im Kanton Basel-Stadt Unternehmen, die für 27% aller Arbeitsplätze, 57% der gesamten kantonalen Wirtschaftsleistung und über 80% der Gewinn- und Kapitalsteuereinnahmen verantwortlich sind.
Zielsetzungen des Standortpakets
Zur Förderung der Standortattraktivität insbesondere im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation hat der Regierungsrat das sogenannte Basler Standortpaket erarbeitet. Dieses wird aus dem ordentlichen Haushalt finanziert und steht allen steuerpflichtigen Unternehmen im Kanton offen.
Die Ziele des Standortpakets sind folgende:
- Erhalt der Standortqualität des Kantons Basel-Stadt für gewinnsteuerpflichtige Unternehmen;
- Erhalt der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze im Kanton Basel-Stadt;
- Erhalt des Steuersubstrats im Kanton Basel-Stadt;
- Finanzielle Ausgewogenheit und Tragbarkeit;
- Akzeptanz bei den wichtigsten lokalen Anspruchsgruppen (Wirtschaft, Politik, Bevölkerung) sowie internationale rechtliche Akzeptanz.
In Anerkennung der Bedeutung des Standortpakets für den Kanton hat die Kommission trotz stark divergierender Einschätzungen beschlossen, gemeinsam eine mehrheitsfähige Vorlage anzustreben und ist auf das Geschäft eingetreten. Das Ziel der Kommission war, dem Grossen Rat in Abwägung der verschiedenen Interessen am Schluss ein für beide politischen Seiten unterstützungsfähiges Paket vorlegen zu können.
Einführung einer zweiten Tarifstufe für die kantonale Gewinnsteuer
Die WAK folgt nach ausführlicher Beratung dem Vorschlag des Regierungsrates, eine zweite Tarifstufe für die kantonale Gewinnsteuer einzuführen. Künftig sollen Gewinne über 50 Mio. Franken zu 8.5% besteuert werden, statt wie bis anhin mit 6.5% (kantonaler Gewinnsteuertarif). Als weitere Massnahme soll die maximale Entlastungsbegrenzung künftig nicht höher als 5% sein (bisher 40%) des steuerbaren Gewinns.
Mit der Erhöhung der kantonalen Gewinnsteuer entsteht sowohl für die Unternehmen als auch für den Kanton eine deutlich höhere Rechts- und Planungssicherheit.
Schaffung von zwei Fonds
Die Regierung sah als zentrales Element des Standortpakets die Schaffung eines Fonds vor, aus welchem die Förderbereiche Innovation, Gesellschaft und Umwelt alimentiert werden sollen. Der Regierungsrat führte in seinem Ratschlag aus, dass er in der Unterstützung der Forschung und Entwicklung den grössten Hebel zur Förderung der Standortattraktivität für Unternehmen im Kanton Basel-Stadt feststellt. Diese vom Regierungsrat vorgeschlagenen Änderungen im Standortförderungsgesetz wurden in der WAK intensiv und im Detail diskutiert. Umstritten waren namentlich die Obergrenze zur Äufnung des Fonds sowie die Verteilung der Mittel auf die Bereiche Innovation, Gesellschaft und Umwelt.
Mit den vom Regierungsrat beantragten steuerlichen Massnahmen wurden die Mehreinnahmen aufgrund der Mindestbesteuerung zum Zeitpunkt der Verfassung des Ratschlags auf jährlich rund 270 bis 310 Mio. Franken geschätzt, wobei mit erheblichen Schwankungen zu rechnen ist. Im Laufe der Beratung zeigte sich, dass die vorgeschlagene Obergrenze von 300 Mio. Franken auf zu vorsichtigen Prognosen beruhen dürfte und darum sehr rasch erreicht sein würde. Die WAK erachtet eine grössere Bandbreite als sinnvoller und beantragt eine Äufnung im Umfang von jährlich 150 Mio. bis max. 500 Mio. Franken. Im Gegensatz zum Ratschlag beantragt die WAK, aus diesen Mitteln zwei separate Fonds zu bilden und deutlich mehr Mittel als vom Regierungsrat vorgeschlagen für die Bereiche Gesellschaft und Umwelt vorzusehen. Der eine Fonds soll mit 20% (d.h. jährlich 30 Mio. bis 100 Mio. Franken) alimentiert werden und den Bereichen Gesellschaft und Umwelt zur Verfügung stehen. Der Rest soll dem Fonds für den Bereich Innovation zugewiesen werden.
Förderbereich Innovation: Kreis der Förderberechtigten erweitert
Die Fördermittel sollen kostenbasiert für Personalaufwendungen für Forschung, Entwicklung und Innovation beantragt werden können. Anders als die Regierung möchte die WAK für den räumlichen Geltungsbereich nicht das Kantonsgebiet von Basel-Stadt, sondern den Wirtschaftsraum Nordwestschweiz als Gebiet definieren. Dies aus der Überlegung, dass zahlreiche Unternehmen aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse im Kanton auch Betriebsstätten ausserhalb der Kantonsgrenzen errichten müssen. Zudem soll die Gesuchsberechtigung nicht auf unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung im Kanton Basel-Stadt beschränkt werden, sondern auch für beschränkt steuerpflichtige juristische Personen mit mindestens einer qualifizierenden Anlage im Kanton gelten. Ergänzend zum Vorschlag der Regierung, sollen auch Kosten für die Durchführung von klinischen Studien mitberücksichtigt werden können. Mit diesen Ergänzungen wird der Kreis der Förderberechtigten breiter, womit mehr Unternehmen Zugang zu den Fondsmitteln erhalten.
Förderbereich Gesellschaft und Umwelt: Freiwillige Elternzeit und Forschungskooperationen
Während der regierungsrätliche Ratschlag im Bereich Gesellschaft allgemein die Förderung von Familie und Beruf vorsah und die Details auf Verordnungsebene regeln wollte, beantragt die WAK, einen Anspruch der Unternehmen auf die finanzielle Abgeltung einer freiwilligen Elternzeit für im Kanton Basel-Stadt tätige Arbeitnehmende von mindestens drei Wochen auf Gesetzesstufe einzuführen. Die Kommission hat sich im Rahmen der Kompromissfindung darauf verständigt, dass auch juristische Personen Anspruch auf diese Förderung haben, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen und entsprechend weniger oder keine Steuern zahlen müssen.
Aus gesellschaftlicher Sicht ist auch die Erhöhung des Anteils für Forschungskooperationen von ursprünglich 5 auf max. 15 Mio. Franken von grosser Bedeutung. Damit soll nicht gewinnorientierte Forschung mit globalem Nutzen im Bereich der Life Sciences gefördert werden.
Fazit der Kommission
Die Mitglieder der WAK sind in ihrer grossen Mehrheit überzeugt, dass ihr mit den dargestellten Elementen ein ausgewogener Kompromiss gelungen ist. Mit diesem liegt ein mehrheitsfähiges, ganzheitliches Standortpaket vor, das den hohen Zielen des Kantons in den Bereichen Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft angemessen Rechnung trägt.