NL1 Natürliche Lebensgrundlagen
NL1.1 Fliessgewässer
Fliessgewässer und ihre Ufer sind prägende und ökologisch wertvolle Elemente unserer Kulturlandschaft, die viele Funktionen erfüllen: Sie sind Lebensraum von Pflanzen und Tieren und bieten Raum für Erholungs- und Freizeitnutzungen. Ebenso dienen sie der Energie- und Trinkwassergewinnung, der Schifffahrt (Rhein) und der Entwässerung von Siedlung und Kulturland.
Zur Landgewinnung und zum Schutz vor Hochwasser wurden die Fliessgewässer in den letzten Jahrhunderten immer stärker verbaut und ihrer ursprünglichen Dynamik, Struktur- und Artenvielfalt beraubt. Im dicht besiedelten Stadtkanton war diese Entwicklung besonders stark: Von den rund 38 Gewässerkilometern (ohne Rhein) sind heute nur noch 2% naturnah, 13% sind wenig beeinträchtigt. Der Rest ist entweder eingedolt, naturfremd oder morphologisch stark beeinträchtigt.
Das im Jahr 2002 veröffentlichte «Entwicklungskonzept Fliessgewässer Basel-Stadt» beurteilt umfassend den Zustand der Bäche und Flüsse als Lebensraum, benennt die Entwicklungsziele und die ökologischen Defizite und definiert Massnahmen, mit denen die Fliessgewässer ökologisch aufgewertet werden sollen.
Die Änderungen des Gewässerschutzgesetzes und der -verordnung, die am 1. Januar bzw. am 1. Juni 2011 in Kraft traten, stellen einen weiteren Meilenstein im Schweizer Gewässerschutz dar. Die jüngsten Änderungen haben zum Ziel, die Gewässer stärker als bisher als Lebensraum aufzuwerten, damit sie einen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität leisten können. Die eingezwängten Gewässer müssen wieder mehr Raum erhalten, und die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung (Schwall und Sunk, fehlender Geschiebetrieb, fehlende Durchgängigkeit für Fische) sollen gedämpft werden.
Die Kantone verfügen nun über konkrete Vollzugshilfen, um die Fliessgewässerökosysteme zu Gunsten ihrer Pflanzen und Tiere aufzuwerten und einen möglichst naturnahen Zustand ohne Wanderhindernisse wiederherzustellen. Die Verbesserung der Wasserqualität durch die Verringerung / Vermeidung anthropogener Einträge ist eine weitere Forderung des Gewässerschutzrechts.
Seit dem 1. Januar 2011 sind die Kantone verpflichtet, den Gewässerraum nach dem revidierten eidgenössischen Gewässerschutzgesetz festzulegen; die Einzelheiten regelt die Gewässerschutzverordnung. Der Bund überlässt den Kantonen das Verfahren.
Revitalisierungen erfüllen Gewässer- und Naturschutzanliegen und erhöhen die Erholungs- und Wohnqualität. Raumplanrelevante Vorhaben wie auch die Festlegung des Gewässerraumes sind in der Richt- und Nutzungsplanung zu berücksichtigen. Dadurch sollen auch weitere natürliche Funktionen wie z. B. Hochwasserabfluss und Geschiebetransport sichergestellt werden. Bei Zielkonflikten mit der Trinkwassergewinnung, dem Grundwasserschutz, der städtebaulichen Entwicklung sowie mit Grundeigentümern und landwirtschaftlichen Nutzern sind integrierende Lösungen anzustreben.
Erwünschte Wirkung
- Verbesserung der Qualität der Fliessgewässer sowie der Selbstreinigungskraft.
- Die Lebensgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen der Gewässer sollen naturnah und standortgerecht sein, sich selbst reproduzieren und regulieren, eine Artenvielfalt und Häufigkeit aufweisen, die typisch ist für nicht oder nur schwach belastete Gewässer.
- Gewässerbett, -sohle, -böschung, Umland, Geschiebehaushalt, Wasserstands- und Abflussregime entsprechen so weit als möglich naturnahen Verhältnissen und sind für Lebewesen in Längs- und Querrichtung durchgängig (Entfernung von Wanderhindernissen).
- Die verschiedenen Lebensräume (terrestrische, aquatische) und Gewässer (unter-, oberirdische) sind untereinander vernetzt und in Wechselwirkung.
- Fliessgewässer und anliegende Räume sind Teil des ökologischen Netzwerkes und bleiben auch als Erholungsraum erhalten.
Leitsätze
5, 6, 8, 11, 31, 34, 35, 53, 54 und 55
Planungsgrundsätze / Planungsanweisungen
- Die Fliessgewässer und ihre Uferbereiche sind als Ökosystem zu betrachten. Hochwasserschutz, Gewässerschutz, Sicherung des Gewässerraums, Wasserversorgung, Natur- und Landschaftsschutz, städtebauliche Erfordernisse, Erholungsbedürfnisse und die diversen Nutzungsansprüche an die Gewässer sind zu koordinieren.
- Die Fliessgewässer sind als prägende Elemente von Siedlung und Landschaft zu erhalten und wo möglich auszudolen.
- a) Der Kanton legt den bundesgesetzlich vorgeschriebenen Gewässerraum aller kantonalen Gewässer in Abstimmung mit den Gemeinden und mit den benachbarten Gebietskörperschaften sowie nach Anhörung der betroffenen Kreise soweit möglich vor Ablauf der Frist von Ende 2018 fest.
b) Im Gewässerraum dürfen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Bauten und Anlagen erstellt werden. - Kanton und Gemeinden
- setzen – wo nötig in grenzübergreifender Zusammenarbeit und unter Einbezug von Grundeigentümern – das Entwicklungskonzept Fliessgewässer um; sie berücksichtigen dabei die anderen raumrelevanten Interessen. Erfolgskontrollen orientieren über die Auswirkungen der Massnahmen;
- gewährleisten durch den naturnahen Unterhalt der Gewässer sowie mit raumplanerischen Massnahmen die Hochwassersicherheit und einen funktionierenden Geschiebehaushalt.
- Der Kanton überwacht die Qualität der Gewässer. Er unterstützt Massnahmen zur Reduktion der Schadstoffbelastung und zur Verhinderung nachteiliger Einwirkungen.
- Für Revitalisierungsmassnahmen prüft der Kanton die Errichtung eines Fonds oder eine zweckgebundene Finanzierung; Revitalisierungsmassnahmen dürfen die Trinkwasserversorgung nicht beeinträchtigen.
Örtliche Festlegungen (nicht in Richtplankarte)
Gemäss folgender Liste und folgenden Karten.
(Die aufzuwertenden Fliessgewässerabschnitte werden nur in den folgenden Karten dargestellt.)
Aufzuwertende Gewässerabschnitte:
Massnahmen
Kanton und Gemeinden werten folgende Fliessgewässerabschnitte auf der Basis des Entwicklungskonzeptes Basel-Stadt von 2002 auf.
Aufzuwertende Fliessgewässerabschnitte
Nr. | Gemeinde | Vorhaben | Kurzbeschreibung | Koordinationsstand |
---|---|---|---|---|
BS-1 | Basel | Rhein, Ufer Klein- und Grossbasel | Naturnahe Ufersanierung bis zum Bermenweg (Blockwurf, Flachuferschüttungen etc.) | Zwischenergebnis |
S-2 | Basel | Rhein, Fischtreppe Kraftwerk Birsfelden | Verbesserung Fischaufstieg durch Sanierung der rechtsufrigen Fischtreppe | Zwischenergebnis |
BS-3 | Basel | Rhein, Rheinhalde | Unzugänglichkeit Naturschutzgebiet gewährleisten durch Sperrzone für Boote | Vororientierung |
BS-4 | Basel | Wiese, Mündung bis Freiburgerhof | Naturnahe Gestaltung des Gerinnes, Lockströmung bei Mündung, Niederwasserrinne, Zugänglichkeit ans Wasser, Schutz Nasen-Laichplatz | Festsetzung |
BS-5 | Basel | Wiese, Freiburgerhof bis Landesgrenze | Renaturierung innerhalb Hochwasserdämme, Aufheben von Wanderhindernissen, Vernetzung mit Seitengewässern, Niederwasserrinne etc. | Vororientierung |
BS-6 | Basel | Wiese, Schliesse | Wiederherstellung der Fischdurchlässigkeit im Umfeld der Schliesse | Festsetzung |
BS-7 | Basel | Birs, Birskopf | Revitalisierung des Mündungssbereiches u. des Badeplatzes (BAFU-Projekt) | Vororientierung |
BS-8 | Basel | Birs, St.Jakob bis Zürcherstrasse | Raumbedarf vergössern durch Verlegen von Werkleitungen aus Vorland in Birsstrasse, wenn Sanierungsbedarf erreicht | Vororientierung |
BS-9 | Basel | St.Alban-Teich, ganze Länge | Revitalisierung innerhalb Gerinne, historische Verbauungsweisen fördern | Zwischenergebnis |
BS-10 | Basel | Birsig, Parkplatz Lohweg | Ausdolung und Zugänglichkeit ans Wasser | Festsetzung |
BS-11 | Basel | Birsig, Nachtigallenwäldeli | Revitalisierung, Gerinneerweiterung | Festsetzung |
BS-12 | Basel | Bachgraben, Bereich Promenade | Ausdolung und naturnahe Gestaltung innerhalb Parkanlage | Vororientierung |
BS-13 | Basel | Dorenbach, Allschwiler Weiher bis Mündung Birsig | Naturnahe Gestaltung und Verbreiterung des Gerinnes, Vernetzung mit Birsig im Mündungsbereich | Festsetzung |
BS-14 | Basel | Otterbach, entlang Freiburgerstrasse | Offenlegung mit neuer Bachführung im Wald der Langen Erlen und Mündung in Wiese oberhalb Freiburgerhof | Festsetzung |
R-1 | Riehen | Mühleteich, Landesgrenze bis Weilstrasse | Strukturverbesserung, Uferabflachung, Durchgängigkeit Sohlrampe | Festsetzung |
BS/R-2 | Basel/Riehen | Riehenteich, Höhe Schliesse bis Mündung Aubach | Naturnahe Sanierung, Durchgängigkeit gewährleisten (zum Teil Ersatzmassnahme Zollfreistrasse) | Festsetzung |
R-3 | Riehen | Weilmühleteich, ganze Länge auf CH Boden | Revitalisierung, Durchgängigkeit | Festsetzung |
R-4* | ||||
R-5 | Riehen | Bettingerbach, Ausdolung und Revitalisierung | Naturnahe Gestaltung, Verbesserung der Durchgängigkeit | Zwischenergebnis |
R-6 | Riehen | Bettingerbach, Uferschutzstreifen | Raumbedarf und Schutz vor nachteiligen Nutzungen durch Bildung einer Bachparzelle sichern | Vororientierung |
R-7 | Riehen | Wassergräben auf dem Brühl, Eisfeld | Erhalten und teilweise aktivieren, Aufheben von Sohlstufen | Zwischenergebnis |
B-1 | Bettingen | Bettingerbach, Siedlungsgebiet | Umlegung u. Ausdolung des Bachgerinnes im Siedlungsgebiet | Zwischenergebnis |
R-8 | Riehen | Immenbach, Uferschutzstreifen | Raumbedarf und Schutz vor nachteiligen Nutzungen durch Bildung einer Bachparzelle sichern | Vororientierung |
R-9 | Riehen | Immenbach, oberhalb Moostäli | Offenlegung des Bachs bis Nollenbrunnen | Zwischenergebnis |
R-10 | Riehen | Immenbach, ganze Länge | Aufweitungen, Ersatz Verrohrungen, Uferabflachungen | Vororientierung |
R-11 | Riehen | Aubach, Siedlungsgebiet | Ausdolung im Rahmen von Bauvorhaben | Vororientierung |
R-12 | Riehen | Aubach, offenes Gewässer | Raumbedarf und Schutz vor nachteiligen Nutzungen durch Bildung einer Bachparzelle sichern | Festsetzung |
R-13 | Riehen | Aubach, Landesgrenze bis Schlossgasse | Naturnahe Gestaltung und Gerinneaufweitung als Hochwasserschutzmassnahme, Durchgängigkeit, Einbezug obere Auquelle | Festsetzung |
R-14 | Riehen | Aubach, oberhalb Autäli | Hochwasserrückhaltemulde | Festsetzung |
*R-4 Alter Teich ist umgesetzt. |
NL1.2 Naturgefahren (Gefahrengebiete)
Der Bund verpflichtet die Kantone festzustellen, welche Gebiete durch Naturgefahren oder schädliche Einwirkungen erheblich bedroht sind. Naturgefahren sind bei der Richt- und Nutzungsplanung zu berücksichtigen (Gefahren durch Technikfolgen siehe S1.8 Störfallvorsorge).
Aus raumplanerischer Sicht sind primär diejenigen Gebiete zu betrachten, in denen sich ständig Menschen befinden, also Bauzonen und Verkehrslinien von übergeordneter Bedeutung.
Die Schutzziele richten sich einerseits nach der Menge potenziell gefährdeter Menschen oder Sachwerte, dem Naturwert und den Infrastrukturanlagen in den bedrohten Gebieten, andererseits nach der Wiederkehrperiode der Naturgefahren.
Naturereignisse, die eine Gefährdung menschlichen Lebens oder erheblicher Sachwerte bewirken, können im Kanton Basel-Stadt hauptsächlich in folgender Form auftreten:
- als lokal begrenzte Überschwemmungen infolge kontinuierlicher Wasseraustritte (Dammbrüche, Verklausungen an Brücken und Wehren) oder infolge Überschreitung des Abflussvermögens eines Gewässers,
- vereinzelt als Hangrutschungen, d. h. durch Bewegungen von Erd-, Fels- oder Lockergesteinsmassen,
- als Erdbeben. Diese treten grossräumig auf. Ihre Wirkung wird durch die örtlichen Boden- und Untergrundverhältnisse massgebend beeinflusst.
Die Kantone sind verpflichtet, Gefahrenkarten zu erstellen. Bis anhin bestehen im Kanton Basel-Stadt keine Gefahrenkarten oder Ereigniskataster in der vorgeschriebenen Form.
Zur Bestimmung der Erdbebeneinwirkungen auf Bauten wurde eine Mikrozonierungskarte erstellt. Darin ist das Verhalten des Baugrundes im Erdbebenfall kartiert. Bei besonders ungünstigem Verhalten sollen bei Neu- und Umbauten spezielle Bauvorschriften erlassen werden.
Planungsziele (erwünschte Wirkung)
- Sicherheit vor Naturgefahren (integrales Risikomanagement)
- Überblick über Gefahrengebiete (Gefahrenkarte für gravitative Naturgefahren)
- Festlegen der Zuständigkeiten
- Reduktion des Gefahrenpotenzials in Gebieten hoher Gefährdung
- Sicherstellung eines ausreichenden Gewässerraums
Strategie / ST
keine
Planungsgrundsätze / Planungsanweisungen
- Der Schutz vor Naturgefahren erfolgt in unüberbauten Gebieten prioritär durch Anpassung der Nutzung, in weitgehend überbauten Gebieten durch bauliche Massnahmen.
- Alle Elemente des integralen Risikomanagements (Prävention, Vorsorge, Einsatz, Instandstellung und Wiederaufbau) müssen aufeinander abgestimmt sein. Die entsprechenden Akteure müssen, wenn nötig auch grenzübergreifend, zusammenarbeiten und ihre Vorhaben koordinieren.
- Der Kanton erarbeitet unter Federführung des Amts für Wald beider Basel die Gefahrenkarten. Aufgrund der Gefahrenkarten werden Massnahmenprogramme erarbeitet und gegebenenfalls raumplanerische oder gesetzliche Vorgaben gemacht, um Gefahrenpotenziale so weit als möglich zu reduzieren.